Montag, 29. September 2014

Die Herrschaft der Notenbanken

Eine Notenbankbilanz sieht nicht anders aus als die Bilanz einer Geschäftsbank: sie hat Aktiva (Vermögenswerte) auf der linken Seite der Bilanz und auf der rechten Seite Passiva (Schulden) und Eigenkapital. Eine Notenbank (sei es die EZB, die Fed oder die Schweizer Nationalbank) funktioniert jedoch vollkommen anders als eine Geschäftsbank. Wenn eine Geschäftsbank ihre Refinanzierung verliert, weil ihre „Schuldner“ (Sparer, Anleger, inter-bank Gläubiger, etc.) massiv ihr Geld abziehen, dann wird die Geschäftsbank illiquide. Wenn ihr Eigenkapital negativ wird, muss sie Konkurs anmelden. Eine Notenbank hingegen kann (in ihrer Landeswährung) weder illiquide werden noch in Konkurs gehen. Und daraus entsteht die Herrschaft der Notenbanken. Zu den Passiven einer Notenbank gehören Banknoten im Umlauf und Giroeinlagen von Banken. Buchhalterisch sind das „Schulden“, es sind jedoch Schulden, die nur mit neuen Schulden eingelöst werden können. Ein Privater, der zur Notenbank geht, weil er beispielsweise seine 100 Euro zurückhaben will, verlangt von der Notenbank, dass sie ihre „Schulden“ ihm gegenüber tilgt. Als Schuldentilgung bekommt der Private jedoch wieder — 100 Euro. Wenn Bank A eine Mrd.EUR von der EZB abzieht und sie auf ihr Konto bei Bank B überweist, dann wurden die EZB-Schulden gegenüber Bank A getilgt. Alles, was jedoch die EZB macht, ist, dass sie das Guthabenkonto, das Bank A bei ihr unterhält, belastet und das Guthabenkonto, das Bank B bei ihr unterhält, erkennt. Alle Geschäftsbanken sind „gefangene“ Kunden der Notenbank. Zahlungsausgänge bedeuten für die Notenbank lediglich eine Umbuchung auf Konten, die bei ihr unterhalten werden. Ebenso kann die Notenbank unbegrenzt Landeswährung in den Markt „pumpen“: sie bucht beispielsweise auf ihrer Aktivseite „Kredite an Banken“ und auf ihrer Passivseite „Giroguthaben von Banken“. Kurz: eine Notenbank kann in ihrer Landeswährung nie illiquide werden, weil sie jedes Geld, das sie braucht, selbst schöpfen kann (und natürlich auch, weil sie das Monopol über ihre Landeswährung hat). Notenbanken unterliegen nicht dem Aktienrecht, sondern einem eigenen Notenbankgesetz. Eine Aktiengesellschaft muss bei negativem Eigenkapital Konkurs anmelden. Ein Notenbankgesetz verlangt weder ein positives Eigenkapital noch eine Nachschusspflicht seitens der Eigentümer. Notenbanken sind auch mit negativem Eigenkapital voll funktionsfähig in ihrer Landeswährung, weil sie nicht illiquide werden können.

Der Vorstand einer Notenbank besteht aus Menschen wie auch die Vorstände von normalen Banken/Unternehmen. Warum sollen sich die „Menschen“ einer Notenbank ganz anders verhalten als die „Menschen“ eines normalen Unternehmens. Wenn Vorstände von normalen Unternehmen sich nie Sorgen über Illiquidität und/oder Insolvenz machen müssten, würden sie sich wahrscheinlich anders verhalten. Vor allem, wenn sie wüssten, dass ihnen ihr Eigentümer nichts antun kann.

Diese Sorgen haben die Vorstände von Notenbanken nicht, weil sie – wie bereits dargestellt – weder illiquide noch insolvent werden können und weil sie – laut Notenbankgesetz – vom Eigentümer unabhängig bleiben müssen. Würde eine Geschäftsbank 80% ihrer Aktiva in Fremdwährung halten und diese mit Landeswährung finanzieren, dann hätte sie ein unvertretbares (und nicht erlaubtes) Risiko. Die Schweizer Nationalbank hat beispielsweise mehr als 80% ihrer Aktiva in Devisen und finanziert diese mit Landeswährung, d. h. mit CHF-Schulden gegenüber Banken. Außerdem beinhalten diese Devisenreserven einen Anteil von Unternehmensaktien/-anleihen von rund 20%. Das sind immerhin rund 90 Mrd.CHF, die die SNB (eine Notenbank!) in Unternehmensaktien/-anleihen investiert hat. Kurz und gut: Notenbanken können in ihrer Landeswährung tun und lassen, was sie wollen. Sie können Geld unbeschränkt in den Markt pumpen und es auch aus dem Markt abziehen. Sie können die Zinsen erhöhen oder reduzieren. Sie können indirekt in die Fiskalpolitik eingreifen. Sie unterliegen keinerlei äußeren Zwängen wie z. B. dem Erfordernis von Liquidität oder Solvabilität. Ihr einziger äußerer Zwang ist ihre Glaubwürdigkeit. Sollte eine Notenbank ihre Glaubwürdigkeit einbüßen, dann verliert sie ihre Funktionsfähigkeit und ihre Landeswährung bricht zusammen. Milton Friedman hat dieses System einmal folgendermaßen kritisiert: „Ein System, das so viel Macht und Diskretion einigen wenigen Menschen zuteilt, deren Fehler so weitreichende Folgen haben können, ist ein schlechtes System. Es ist eine Gefahr für die Freiheit, weil es so wenigen so viel Macht gibt, ohne dass diese ‚Wenigen‘ irgendeiner Kontrolle unterliegen. Um Clemenceau zu zitieren: ‚Geld ist eine viel zu ernste Angelegenheit, als dass man es in den Händen von Notenbankern lassen dürfte‘“.

Bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 waren Notenbanken nur selten ein Thema der öffentlichen Diskussion. Inzwischen hat man den Eindruck, dass wirtschaftliches Freud und Leid der ganzen Welt vom Agieren einiger weniger Notenbanker abhängt. Es wird unvermeidbar sein, dass früher oder später die ‚Herrschaft der Notenbanken‘, wie sie derzeit existiert, ein heißes Thema der demokratischen Diskussion werden wird. Und so sollte es auch sein!

Originalveröffentlichung hier.

Mittwoch, 24. September 2014

Bringt Doch Endlich Geld Unter Die Leute!

Selten hat man unter Ökonomen und Finanzjournalisten so viel Einigkeit gesehen, was die Definition der wirtschaftlichen Stagnation in der Eurozone betrifft. Der anerkannte Finanzjournalist Wolfgang Münchau hat das im Der Spiegel folgendermaßen zusammengefasst: „Der Grund für die kontinuierliche wirtschaftliche Stagnation ist eine fehlende Gesamtnachfrage im Euroraum, nicht die Knappheit des Geldes“. Die EZB hat es schon mit mehreren Liquiditätsprogrammen versucht und wird es weiter versuchen. Aber: das Geld kommt einfach nicht bei jenen an, die es ausgeben sollten. Deswegen schlägt Münchau vor, die EU sollte „die Kohle direkt unter die Leute bringen“. Zu diesem Zweck sollte die EU 300 Mrd.EUR aus dem Nichts schöpfen, indem sie sich die 300 Mrd.EUR von der EZB ausleiht, die ihrerseits diese 300 Mrd.EUR aus dem Nichts schöpft. Und dann das Geld natürlich möglichst fair verteilen. Staatsfinanzierung wäre das keine, weil die EU kein Staat ist. Clever!

Und sollte selbst dieser kreative Mechanismus nicht wirken, dann schlägt Münchau die ultimative Waffe vor: Mario Draghi sollte sich höchstpersönlich einen Helikopter mieten und die 300 Mrd.EUR möglichst gleichmäßig auf die Bürger der Eurozone verstreuen. Na dann!

Mir fällt da eine Lösung ein, die mir wesentlich fairer und seriöser vorkommt und ich darf sie – unter Beanspruchung des Urheberrechtes – vorstellen.

Jeder Staat sollte eine neue Staatslotterie ins Leben rufen, bei der die Gewinnchance für die Spieler 80% ist. Jeder, der gewinnen will, muss einen Einsatz machen. No risk, no fun. Aber aufgrund der Gewinnchancen wird auch jeder gewinnen. Das Prinzip „Leistung nur gegen Vorleistung“ bleibt gewahrt. Das Leistungsprinzip soll ja gefördert werden.

Woher nimmt sich der Staat das Geld? Mein Vorschlag wäre, alle Banknotendruckereien aufzufordern, ihre Vorräte massiv zu erhöhen. Dann könnte man dieses Geld unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur Hand nehmen und es den Lotteriegewinnern auszahlen. Das Geld kommt unter die Leute; die Leute geben es aus; die Wirtschaft kommt in Schwung und Überschüsse werden erwirtschaftet.

Und wenn die Überschüsse da sind, dann gibt man das Geld still und heimlich den Banknotendruckereien zurück und deren Inventur wird stimmen!