Mittwoch, 19. Januar 2022

Peter Michael Lingens

Seit den ersten Tagen des Profil habe ich Peter Michael Lingens enorm geschätzt, um nicht zu sagen bewundert. Vor allem habe ich ihn dafür geschätzt, dass er immer in der Lage war, trotz eigener Überzeugungen auch die andere Seite fair darzustellen. Immer mit dem größten Respekt.

In den letzten Jahren ist mir allerdings aufgefallen, dass Lingens mit zunehmendem Alter das wurde, was die Amerikaner "extremely progressive" nennen. Extrem fortschrittlich zu sein ist an und für sich nichts Schlechtes, vorausgesetzt, dass man die Toleranz behält für jene, die es nicht so rasch schaffen, extrem fortschrittlich zu sein.

Diese Toleranz ist bei Lingens in den letzten Jahren ganz deutlich abhanden gekommen. Er begann so zu schreiben, als wäre ihm die Endzeit bewußt und als müßte er noch allen rechtzeitig sagen, was wirklich Sache ist. Seine Kritik an Deutschlands Wirtschaftspolitik und an Angela Merkel persönlich nahm fast schon pathologische Züge an. Ebenso seine Kritik an all jenen, denen er unterstellte, nicht zu verstehen, dass Ausgaben des Staates gleichzeitig Einkommen von Privaten sind. Und dass jeder, der nur einen Funkten von Intelligenz hat, die Saldenmechanik verstehen müßte.

Was Lingens nicht mehr begreifen konnte, ist, dass viele, die sehr wohl die Saldenmechanik und deren Konsequenzen auf die Einkommen/Ausgaben des Staates verstehen, trotzdem nicht unbedingt seiner Meinung sein mußten. Die Toleranz, auch 'Verständnis für die andere Seite zu haben', ist Lingens im Alter abhanden gekommen.

Ich habe in Lingens' Blog mehrfach kommentiert, immer sachlich, professionell und höflich. Allerdings manchmal mit ausgeprägter Kritik an seiner Meinung. Die liberale Welt lebt davon, dass ein Wettbewerb unter Meinungen garantiert ist und dass man immer vorbehaltslos prüfen sollte, welche die bessere Meinung ist. Vor diesem Hintergrund hat Lingens m. E. die liberale Welt verlassen.

Peter Michael Lingens hat mich in seinem Blog blockiert!

Das ist für mich nicht nur enttäuschend, sondern auch schmerzhaft. Schmerzhaft nicht, weil ich mich ausgeschlossen fühle, sondern schmerzhaft, weil jemand, den ich für sein liberales Gedankentum jahre- bzw. jahrzzehntelang bewundert habe, nun zu vollkommen illiberalen Maßnahmen gewechselt hat.

Es tut mir leid für Peter Michael Lingens!

Donnerstag, 13. Januar 2022

Lange Antwort auf einen Langen Brief zum Kurz'schen Abschied

Im Wochenmagazin profil wurde ein langer Brief zum Kurz'schen Abschied veröffentlicht. Auf diesen Brief habe mit einer langen Antwort an den Autor, Veit Dengler, reagiert. Siehe unten.


Sehr geehrter Herr Dengler,

Bei Ihrem Abschiedsbrief (Profil) musste ich mich an den Spruch erinnern: "Es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen." Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum Medien und/oder Beobachter Kurz einfach nicht loslassen können. Das erinnert fast schon an Donald Trump, den auch alle hassten, aber nicht von ihm lassen konnten bzw. können. 

Ich möchte gar nicht Ihren 6 Punkten widersprechen. Zum Teil würde ich Ihnen auch zustimmen. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass man jemals bei einem abgedankten Bundeskanzler so detaillierte Performance-Analysen gemacht hat wie jetzt bei Kurz. War vielleicht Kurz doch etwas ganz Besonderes in der österreichischen politischen Landschaft?

Ich halte Kurz für ein politisches Talent in der Reihe von Kreisky und Haider. Ich sage das nicht als Werturteil über die Personen, sondern lediglich unter Berücksichtigung der Fähigkeit, Wähler für sich zu gewinnen. Diejenigen, die das als Populismus kritisieren, sollten sich immer daran erinnern, dass man in einer Demokratie Wähler braucht.

Man kann Kurz für seine Machtbesessenheit kritisieren. Aber, bitte - worum geht es denn in der Politik, wenn nicht um Macht? Ich war beispielsweise enorm beeindruckt von der generalstabsmäßigen Machtübernahme der ÖVP seitens Kurz. Dass jemand einmal die Bünde der ÖVP mit einer Art Richtlinienkompetenz führen könnte, hätte ich mir vor Kurz nicht vorstellen können. Dass man dafür einen Masterplan entwickelt hatte, halte ich für professionell, selbst wenn dabei nicht alle Schritte, die gesetzt wurden, geschmackvoll waren. Macht erfordert Machtpolitik und Machtpolitik ist nicht immer jugendfrei. 

Kurz & Co. lieferten die "größten Skandale der 2. Republik" wird vielerorts behauptet. Also bitte! Im Wesentlichen ging/geht es um 2 Themen: Postenschacher und Inserate gegen Gefälligkeiten. Unter den verschiedenen Merkmalen der 2. Republik gehören diese zwei zur absoluten Spitzengruppe. Die Rechercheplattform "Addendum" hat den Postenschacher einmal im Detail analysiert ("Ein Vierteljahrhundert Postenschacher"). Für einen Außenstehenden wäre das Ergebnis erschreckend; für einen gelernten Österreicher ist es no na. Inserate gegen Gefälligkeiten? Die Rechercheplattform "Dossier" hat dieses Thema einmal im Detail analysiert ("Das gekaufte Österreich"). Wenn die öffentliche Hand jährlich um die 200 Millionen für Inserate ausgibt, stellt sich schon die Frage, wie es denn sein kann, dass 'nur' die 2 Millionen, die bei Kurz & Co. der Sündenfall sind, strafrechtlich relevant sind.

Glücklicherweise gibt es noch souveräne Beobachter der österreichischen Politik wie beispielsweise Erhard Busek und Peter Michael Lingens, die nicht aus der Emotion der Zeit, sondern mit geschichtlichem Überblick kommentieren. Beide stufen die Skandale von Kurz & Co. im Mittelfeld aller Skandale der 2. Republik ein. Diesen Eindruck habe auch ich. Der Unterschied zu früheren Skandalen? Man war früher nicht so dumm, schriftlich festzuhalten, wie man Postenschacher und Inserate gegen Gefälligkeiten umgesetzt hat (und schon gar nicht in derb pubertärer Sprache). 

Ich mache Kurz 2 große Vorwürfe. Erstens - er hätte sich sofort nach dem ersten Bekanntwerden von derb pubertären Chats von den handelnden Personen distanzieren müssen. Dadurch, dass er das nicht getan hat, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich auch auf diesem Niveau bewegt. Und zweitens - er wurde Strache gegenüber wortbrüchig, als er dem Druck der Landeshauptleute nicht standhalten konnte und die Zusammenarbeit mit der FPÖ - entgegen der Vereinbarung mit Strache - sprengte. Die Wortbrüchigkeit gegenüber einem Charakter wie Strache kann man möglicherweise noch vergeben. Nicht vergeben sollte man Kurz allerdings, dass er mit diesem Wortbruch die einzigartige - und sobald nicht wiederkehrende - Chance verpasst hat, die Republik mit einer Mitte-Rechts-Regierung auf Jahre hinaus zu prägen. 

Man kann strafrechtlich relevantes Verhalten nicht dadurch rechtfertigen, dass es schon immer solches Verhalten gegeben hat. Man sollte aber der nicht informierten Öffentlichkeit nicht suggerieren, dass Kurz & Co. solches Verhalten erfunden hätten. Erhard Busek hat es in einem Spiegel-Interview folgendermaßen treffend formuliert:

"Es ist eine große Affäre, keine Frage, eine Affäre, die politische, ökonomische und moralische Fragen berührt. Aber davon hatten wir viele in Österreich. Personen aller größeren Parteien und inzwischen auch kleineren Parteien waren verstrickt. Das Land hat bislang jeden dieser Skandale relativ gut überstanden, was wohl auch eine Mentalitätssache ist. Sie müssen verstehen, welche Rolle Korruption – die kleine, noch legale, und die große – bei uns spielt. Wir wissen eh alle, dass es so ist, man kalkuliert das vorab mit ein, quasi als Entschuldigung. Das mag für einen Nicht-Österreicher eigenartig klingen, aber so sind wir leider."

Ich vermisse Kurz als Bundeskanzler. Ich habe es genossen, einen Regierungschef zu erleben, der international präsent ist. Der fähig ist, mit Selbstbewußtsein in den Zentren der Weltmacht aufzutreten. Der nicht zu feige ist, relevante Fragen innerhalb der EU über die EU Politik zu stellen. Ein Bundeskanzler, von dem nicht nur viele Deutsche, sondern auch sehr viele Osteuropäer beeindruckt sind und - vor allem - von dem Israel schwärmt. Ein junger Österreicher, der es schafft, selbst mit Donald Trump im Weißen Haus auf Augenhöhe zu reden. Das hat es seit Kreisky nicht mehr gegeben (Schüssel war sicherlich noch kraftvoller als Kurz, aber hatte situationsbedingt international kaum eine Chance).

Jetzt werden wir nicht nur mit Analysen über Kurz, sondern auch mit Analysen über seinen neuen Arbeitgeber Peter Thiel bombardiert. Man könnte natürlich auch die Frage stellen, warum man in einem Land, das sich so fortschrittlich betrachtet wie Österreich, jemanden wie Thiel nicht vorher schon gekannt hat. Selbst der Herausgeber vom Falter fühlt sich berufen, ein Buch über Thiel dahingehend zu interpetieren, dass es "Thiel als Drahtzieher einer dystopisch-undemokratischen Zukunft zeichnet und vor allem seine finsteren Eigenschaften hervorhebt." Na dann!

Dies wurde ein langer Brief; ich hatte leider nicht die Zeit, mich kürzer zu fassen. Von den vielen Analysen über Kurz, habe ich ausgerechnet Ihre zum Anlass genommen, diesen Brief zu schreiben. Das kann wahrscheinlich nur bedeuten, dass ich Ihre Analyse wert gefunden habe, einen langen Brief zu schreiben.

Freundliche Grüße

Sonntag, 9. Januar 2022

Der Euro ist schlechter als sein derzeit gar nicht so schlechter Ruf!

Anläßlich des 20-jährigen Jubiläums des Euro veröffentlichte Alt-Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel einen Artikel mit dem Titel "Der Euro ist besser als sein Ruf!" Da man bei diesem Artikel keine Kommentare machen konnte und da Dr. Schüssel einmal behauptet hat, "I' les' kane Mails. Des is' a Prinzip von mir", veröffentliche ich unten das Email, das ich an Dr. Schüssel geschickt hätte, wenn ich seine Email Adresse gehabt hätte.


Sehr geehrter Herr Dr. Schüssel,

Ich möchte Ihnen nachstehend ein einziges Argument liefern, weshalb der Euro viel schlechter ist als sein derzeit gar nicht so schlechter Ruf.

Die Deutsche Bundesbank weist derzeit rund 1.130 Mrd.EUR an Target2 Forderungen gegenüber dem Eurosystem aus. Mindestens 80% der diesen Forderungen gegenüberstehenden Verbindlichkeiten werden in Spanien, Italien, Griechenland und Portugal gebucht. Bilanztechnisch gesehen besteht die Eurozone aus „have’s“ und „have-not’s“. Bei den „have’s“ baut sich die Liquidität auf, bei den „have-not’s“ bauen sich die Schulden auf und in beiden Fällen ist der Trend immer nur in eine Richtung. 

Eine Währungsunion, die strukturell zu derartigen Ungleichgewichten führt (und zwar ohne Perspektive, dass sich an diesen Ungleichgewichten etwas ändern wird), kann auf Dauer nur funktionieren, wenn Transfermechanismen eingeführt werden (z. B. Transfer- und/oder Schuldenunion). Das Kapital, das strukturell aus den „have-not’s“ abfließt (Leistungsbilanzdefizite und/oder Kapitalflucht) muß auf anderen Wegen wieder in diese Länder zurückfließen. Freiwillig geschieht das nur, solange es keine Anzeichen einer Krise gibt. 

Nachdem b.a.w. sowohl von der EU als auch von der EZB Unmengen von Liquidität umverteilt werden, ist mit einer ernsthaften Euro-Krise in den nächsten Jahren wohl nicht zu rechnen. Allerdings werden diese Umverteilungen obige Ungleichgewichte verstärken und nicht abbauen. Deswegen meine Prognose: in den nächsten 10-20 Jahren werden wir eine Transfer- und/oder Schuldenunion haben oder keine Währungsunion mehr in der jetzigen Größe. Ich fürchte, dass das eine entweder/oder Situation sein wird. Bei solchen systemischen Unsicherheiten kann man m. E. nicht behaupten, dass der Euro besser ist als sein Ruf.

Freundliche Grüße


Zur Erläuterung

Das Kapital fließt aus 2 Gründen von den "have-not's" zu den "have's": einerseits Leistungsbilanzdefizite und andererseits Kapitalflucht.

Ad Leistungsbilanzdefizite: solange einzelne Länder nachhaltig Leistungsbilanzdefizite anhäufen, werden sie (auch Frankreich!) zu "have-not's". Nicht aus volkswirtschaftlichen, sondern aus mathematischen Gründen müssen Leistungsbilanzdefizite 1:1 finanziert werden mit Kapitalimporten. Da Kapitalimporte größtenteils in der Form von Schulden stattfinden, steigt auch die Auslandsverschuldung dieser Länder nachhaltig.

Ad Kapitalflucht: diese ist das größte Risiko für die Stabilität der Eurozone. Sobald sich auch nur die geringste Krise in einem Mitgliedsland abzeichnet, werden (a) Auslandsinvestoren ihr Kapital abziehen und (b) Inländer ihr Erspartes ins Ausland bringen. Dank des freien Kapitalverkehrs kann das nicht unterbunden werden. Und Dank Target2 sind dieser Kapitalflucht auch mengenmäßig keine Grenzen gesetzt.

Dienstag, 22. Juni 2021

Griechenland Boomt!

Ich bin seit 1-1/2 Jahren zum ersten Mal wieder in Griechenland und muß staunen – ich habe ein anderes Land vorgefunden als jenes, das ich im Dezember 2019 verlassen hatte. Auf den Punkt gebracht: Griechenland boomt!

Alexis Tsipras – ungeachtet des Chaos, das er vielerorts verursacht hat – hat zwei große Taten vollbracht. Erstens, nach dem (selbst verursachten) fast-Zusammenbruch Mitte 2015 hat er alles unterschrieben, was ihm die Troika vorgelegt hat. Das waren teilweise brutale Vorgaben, die ein Nicht-Linker nie hätte umsetzen können.

In Summe haben sich aber diese brutalen Maßnahmen vorteilhaft ausgewirkt und Griechenland ist heute wettbewerbsstärker als vor 5 Jahren. Und zweitens – und das ist heute von besonderer Bedeutung – Tsipras hat sich geweigert, ein Folgeabkommen mit der Troika für einen back-up Finanzierungsrahmen für die Zeit nach dem Sanierungsprogramm zu unterschreiben. Stattdessen entschied er sich für die Option von Cash Reserven und die Troika stellte als Mitgift 15 Mrd.EUR zur Verfügung.

Seither hat der Staat nach dem Motto „Schulden soll man dann aufnehmen, wenn man das Geld nicht braucht“ agiert. Er sitzt heute auf Cash Reserven von über 40 Mrd.EUR (alles mit Neuschulden finanziert) und vom EU Wiederaufbaufonds sollen in den nächsten Jahren weitere 30 Mrd. dazu kommen. Nachdem größere Tilgungen der Staatsschulden erst Anfang der 2030er Jahre wieder beginnen, ist Griechenland für die nächsten 10+ Jahre vollkommen überfinanziert und es kann zu keinen Zahlungsschwierigkeiten kommen. Premier Mitsotakis hat diese Cash Polster Politik sogar noch verstärkt: alleine im letzten Jahr stiegen die Auslandsschulden um 50 Mrd.EUR auf 500 Mrd.EUR!

Die Rating Agenturen überlegen sich angeblich, Griechenland auf Investment Grade hochzustufen. Das ist insofern interessant, weil Griechenland heute wesentlich schlechtere Eckdaten hat als noch vor 5 Jahren: die Verschuldungsquote ist auf über 200% gestiegen, das Budget (vor Corona sogar positiv) ist mittlerweile tief defizitär. Und die Leistungsbilanz, die vor 5 Jahren fast ausgeglichen war, hatte 2020 ein Defizit von 11 Mrd.EUR und dieses Defizit wird heuer sicherlich noch größer ausfallen. Als Griechenland 2010 den Sudden Stop erlebte, waren die Ziffern auch nicht schlechter.

Faktum ist jedoch, dass in den nächsten Jahren in Griechenland Geld fließen wird wie in den besten Jahren der Euro-Party. Die Euro-Party führte in den Zusammenbruch, weil das Geld unvernünftig verwendet wurde. Die Optimisten meinen, dass sich das diesmal nicht wiederholen wird, alleine schon wegen der Supervision der EU. Wir werden sehen.

Faktum ist auch, dass Griechenland seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder eine Regierung hat, in der zumindest eine gewisse Anzahl von kompetenten Leuten sitzt. Herausragender Superstar ist für mich Kyriakos Pierrakakis, der u. a. für die Digitalisierung verantwortlich ist.

Der Mann ist ein Zauberer. Was der in der kurzen Amtszeit bereits vollbracht hat, wäre für Österreich beispielhaft. Kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, dass der öffentliche Sektor seit seinem Amtsantritt durch Digitalisierung 23 Millionen Arbeitsstunden eingespart hat. Dahinter steht sicherlich eine Portion Propaganda, aber es gibt auch Fakten. Mein Nachbar schwärmt davon, dass er nicht mehr zu Ämtern gehen muß, um Sachen zu erledigen. Obwohl er nicht besonders IT-affin ist, schafft er alles am Computer. Das Projekt eines flächendeckenden Grundbuchs (ursprünglich von König Otto und seinen 3.000 bayerischen Beamten in den 1830er Jahren gestartet) soll demnächst zum Abschluß kommen und es wird digital sein. Hier ist ein kurzes Video über das Programm des Kyriakos Pierrakakis.

Wunder werden sicherlich keine geschehen. Der tägliche Alltag der Griechen mit all seiner Korruption und Steuerhinterziehung wird wohl genauso weiterleben wie der Pfusch am Bau in Österreich. Aber dort, worauf es ankommt (d. h. auf der oberen Ebene von Staatsverwaltung, Politik, Unternehmensgestion, etc.) sollte sich schon viel in eine positive Richtung verändern. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass hier ein positiver Feedback Loop entsteht und besonders könnte ich mir vorstellen, dass ausländische Investoren relativ bald sehr großes Interesse an Griechenland zeigen werden. Und mit Auslandsinvestoren kommt ja nicht nur Geld, sondern – und vor allem – Know-How.

Alles würde dafür sprechen, in griechische Bankaktien zu investieren. Der Tsunami des Cash Flows wird ja über das Bankensystem fließen und dort werden die Geschäfte blühen. Hier wird allerdings auch die Achillessehne sein. Es wird um die Mittelverwendung gehen und dass bei den Griechen plötzlich überall ökonomische Vernunft eingesetzt hat – na ja, I’ll believe it when I see it.

Originalveröffentlichung hier.

Mittwoch, 31. März 2021

Tu Infelix Austria!

Die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) ist eine Staatsholding für staatliche Unternehmensbeteiligungen. Die ÖBAG umfasst die vier börsennotierten Unternehmen VERBUND, OMV, A1 Telekom Austria, die Österreichische Post (nachstehend gereiht nach Portfoliowert) und sieben weitere Unternehmen, darunter die Bundesimmobiliengesellschaft BIG, die Casinos Austria und die APK. In diesen Unternehmen werden 135.000 Menschen beschäftigt.

Die ÖBAG wird von Herrn Mag. Thomas Schmid als Alleinvorstand geleitet. Dass eine Aktiengesellschaft von einem Alleinvorstand geleitet wird, ist eher ungewöhnlich. Das die Beteiligungen einer Staatsholding obiger Dimensionen von einem Alleinvorstand verantwortet werden, wäre nicht vorstellbar, würde es den Präzedenzfall von Herrn Mag. Schmid nicht geben. 

Die österreichische Politik beschäftigt sich nunmehr sein längerer Zeit mit dem Thema "Postenschacher in öffentlichen Positionen". Dabei wird sehr oft übersehen, dass Postenschacher ein selbstverständlicher Bestandteil der österreichischen Innenpolitik seit 1945 war (viele Jahre lang wurde dieser Postenschacher sogar schriftlich im Proporzabkommen festgehalten). Von daher ist es nicht überraschend, dass der Postenschacher nach wie vor gut funktioniert. 

Der Postenschacher um Herrn Mag Schmid herum unterscheidet sich von anderen Postenschachern dadurch, dass dessen Hintergründe durch die Veröffentlichung von Chatprotokollen des Herrn Mag. Schmid in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Diese Chatprotokolle zeigen ein Sittenbild, das man eher in einer Bananenrepublik erwarten würde als in einem Land der Ersten Welt.

Herr Mag. Andreas Hanger, ein namhafter ÖVP Abgeordneter, wurde von Armin Wolf in der ZIB2 interviewt. Dieses Interview hat mich veranlaßt, Herrn Mag. Hanger nachstehendes Email zu schreiben.


"Sehr geehrter Herr Mag. Hanger,

ich habe mir Ihr obiges Interview in der ORF Mediathek angesehen und bin verblüfft, dass Sie sich hier auf formelle Positionen zurückziehen, wenn es in Wirklichkeit um ganz etwas Anderes geht. Ich gehe einmal davon aus, dass bei dieser Affaire genügend Juristen eingeschaltet waren um zu vermeiden, dass irgendwelche formellen bzw. strafrechtlich relevanten Fehler passieren würden. Anders ausgedrückt: der Rückzug auf formelle Positionen ist nicht wirklich relevant.

Es geht hier um Respektabilität. Ist das Verhalten der betroffenen Personen so, dass man ihnen zutrauen kann, Führungspositionen in öffentlichen Strukturen zu übernehmen? Ich glaube, die Kommunikationen von Herrn Mag. Schmid sind so, dass jeder seriöse Politiker sich von ihm distanzieren sollte. Das ist kein Stil, der Vertrauen in die Politik fördert. Vielmehr: das ist ein Stil, mit dem Herr Mag. Schmid in einer Vorstandsposition in der Privatwirtschaft früher oder später scheitern würde. Ich sage das nach 35 Jahren Führungspositionen in der Privatwirtschaft in 6 Ländern. Und natürlich geht es hier nicht nur um Herrn Mag. Schmid, sondern auch um einige seiner Korrespondenten.

Kurz und gut: ich war entsetzt zu hören, dass Sie sich offenbar mit dem Stil von Herrn Mag. Schmid identifizieren können. Wie lautet das Sprichwort? „Sag’ mir, wer Deine Freunde sind und ich sage Dir, wer Du bist!“

Eine kleine Fußnote: Sie attestierten Herrn Mag. Schmid eine hervorragende Arbeit. Er sei 2 Jahre im Amt und der Vermögenswert der Staatsbeteiligungen sei um 5 Milliarden gestiegen. Herr Mag. Schmid sollte an seinen Taten gemessen werden.

Ich frage mich, wie wohl die Vorstände/Geschäftsführer der ÖPAG-Beteilungen auf diese Aussage reagiert haben. Dass Eigentümer bzw. Aufsichtsräte für den Erfolg der Unternehmen verantwortlich gemacht werden, ist zwar kreativ, aber nicht immer gesetzkonform. Zumindest bei Aktiengesellschaften widerspricht diese Aussage dem Aktiengesetz, wo die Verantwortung für das Wohl des Unternehmens dem Vorstand (und nicht dem Aufsichtsrat) zugeteilt wird. Oder hat vielleicht Herr Mag. Schmid als Aufsichtsrat in die Gebarung der Unternehmen eingegriffen?

Ich hätte mir von Ihnen erwartet, dass Sie sich vom Still des Herrn Mag. Schmid distanzieren. Da Sie das nicht getan haben, muß ich davon ausgehen, dass Ihr Stil ähnlich ist und auch dem neuen Stil der ÖVP entspricht. Somit sind Sie und die ÖVP für mich nicht mehr wählbar.

Freundliche Grüße"

In der Geschichte Österreichs wird oft die Aussage "Tu felix Austria..." zitiert. In diesem Fall kann man nur sagen "Tu infelix Austria!"

Mittwoch, 10. Februar 2021

Pandemie - Protektionismus - Globalisierung

Das Austrian Institute of Economics and Social Philosophy hat einen Artikel von Stefan Beig mit dem Titel "In einer Pandemie schützt nicht der Protektionismus, sondern die Globalisierung" veröffentlicht, der mich veranlaßt hat, nachstehende Stellungnahme abzugeben.


Zitat

Als überzeugter Wirtschaftsliberaler fühle ich mich immer gefordert, wenn ich Artikel von Wirtschaftsliberalen lese, die einseitig bzw. nicht ausreichend differenziert sind und somit beste Gegenargumente für Planwirtschaftler bieten. Der Artikel von Herrn Stefan Beig ist ein Bespiel dafür. Typischer Satz: "Klar ist auch: Jeder kauft Güter zuerst dort, wo sie – bei gleicher Qualität – am günstigsten sind.

Das ist auf der Mikro-Ebene sehr vernünftig und plausibel. Auf der Marko-Ebene kann es auch vernünftig und plausibel sein, es kann aber auch extrem destruktiv werden. Freihandel, Gobalisierung, multi-nationale Lieferketten, etc. - das klingt alles sehr gut und kann auch in der Tat zu vermehrtem Wohlstand für alle Beteiligten führen, oder auch nicht. Der Wohlstand für alle Beteiligten wird nur dann nachhaltig gemehrt, wenn Freihandel, Globalisierung, multi-nationale Lieferketten über längere Zeiträume hinweg einigermaßen ausgeglichen sind. Wenn sich über längere Zeiträume strukturelle Ungleichgewichte entwickeln, dann wird es problematisch für alle Beteiligten.

Es geht natürlich nicht nur um den grenzüberschreitenden Handel mit Waren, sondern auch um jenen mit Dienstleistungen. Anders ausgedrückt: die Handelsbilanz ist wichtig, die Leistungsbilanz ist jedoch noch viel wichtiger. 

Global betrachtet ist die Leistungsbilanz ein Null-Summenspiel, d. h. Überschüsse und Defizite gleichen sich aus. Daraus ergibt sich folgender kritischer Punkt: die Überschüssler mögen sich über ihre Überschüsse freuen, sie sollten jedoch verstehen, dass sie unweigerlich - vielleicht sogar, ohne sich dessen bewußt zu sein - mit ihren Überschüssen die Defizitler finanzieren müssen. Ganz abgesehen davon, dass die Jobs - etwas vereinfacht ausgedrückt - bei den Überschüsslern sind und nicht bei den Defizitlern. Dass die deutsche Volkswirtschaft  - gemäß der Berechnung einer US Investment Bank - in den ersten 3 Jahren nach der Finanzkrise 2008 knapp 500 Mrd.EUR an Auslandsvermögen verloren hat, ist den Bürgern Deutschlands wahrscheinlich nicht bewußt, weil die Verluste nicht auf der Ebene des Staates, sondern darunter entstanden sind (Banken, Versicherungen, Konzerne). Dass die Jobs im amerikanischen Rust Belt nach Fernost wanderten, führte zur Präsidentschaft von Donald Trump.

In der Theorie ist alles ganz klar: jedes Land entwickelt seine eigenen comparative advantages und finanziert das, was es importiert, mit dem, was es exportiert. Und wenn diese Gleichung nicht aufgeht, dann erfolgt die Anpassung via den Wechselkurs. 

In der Praxis funktioniert diese Anpassung sehr oft nicht mehr. Vor allem funktioniert sie nicht mehr für die Mitglieder der Währungsunion, wo der Euro für Deutschland zu billig und für Griechenland zu teuer ist. Griechenland ist übrigens ein sehr gutes Beispiel, wo ich meine eigene wirtschaftsliberale Überzeugungen testen mußte.

Rückblickend behaupte ich, dass das griechische Drama nicht mit dem Euro begonnen hat, sondern mit dem Beitritt Griechenlands zur EU im Jahr 1981. Mit diesem Beitritt eröffneten sich quasi über Nacht 4 Freiheiten für Griechenland, wobei die griechische Volkswirtschaft für 2 dieser 4 Freiheiten absolut nicht gerüstet war - die Freiheiten des Waren- und Kapitalverkehrs. Die Freiheit des Warenverkehrs erlaubte den Griechen auf der Mikro-Ebene über Nacht die besten Güter zum besten Preis überall in der Welt einzukaufen. Auf der Makro-Ebene stellte sich heraus, dass es diese Güter leider nur außerhalb von Griechenland gab. Und finanziert mußten diese Importe nicht mit Exporten werden, weil der freie Kapitalverkehr mehr als ausreichend Kapital ins Land brachte. Wie schon gesagt, eine hervorragende Sache für alle Griechen auf der Mikro-Ebene, ein Desaster für das Land auf der Makro-Ebene. Griechenland wurde zur Drehscheibe für Geld: auf der einen Seite kam Geld ins Land in der Form von Krediten, auf der anderen Seite verließ Geld das Land in der Form von Leistungsbilanzdefiziten. Die Binnenwirtschaft ging dabei über weite Strecken zu Grunde. Auf solche Fehlentwicklungen muß eine differenzierte Betrachtung von Protektionismus-Globalisierung hinweisen, um nicht den Planwirtschaftlern Gegenargumente zu liefern.

Es wurde und wird immer wieder - leider sehr undifferenziert - argumentiert, dass freier Handel und Kapitalverkehr automatisch zu Wohlstandsvermehrung aller Beteiligten führen, weil jedes Land die Stärken seiner eigenen Volkswirtschaft entwickelt. Das hat sicherlich für Österreich gegolten. Mit dem EU Betritt und vor allem mit dem späteren Euro-Beitritt wurde die österreichische Wirtschaft in der Tat bis an ihre Grenzen getestet und sie hat sich wunderbar erfolgreich angepaßt. Man darf aber nicht vergessen, dass Österreich eine Wirtschaftskultur hat, die sich von beispielsweise jener Griechenlands völlig unterscheidet. Außerdem hatte Österreich einmal einen Finanzminister Androsch, der schon früh die Weichen für die spätere Anpassungsfähigkeit gestellt hatte. Griechenland hatte keinen solchen Finanzminister und schon gar nicht eine Wirtschaftskultur, die auf globale Anpassungserfordernisse vorbereitet war. Solche Aspekte müssen immer berücksichtigt werden, bevor man blind freiem Handel und Kapitalverkehr das Wort redet.

In der heutigen globalen Wirtschaft steht ein Elefant im Raum, ohne den diese globale Wirtschaft in der jetzigen Form gar nicht funktionieren könnte. Ich spreche von der US Volkswirtschaft, die nun schon seit 3-4 Jahrzehnten Jahr für Jahr gigantische Leistungsbilanzdefizite registriert. Die Leistungsbilanzdefizite der USA stellen im Verhältnis 1:1 Leistungsbilanzüberschüsse im Rest der Welt dar. Anders ausgedrückt: die USA betreiben - bewußt oder unbewußt - schon seit Jahrzehnten ein massives cross-border deficit spending für den Rest der Welt. Das Defizit der USA trägt maßgeblich zu Wachstum und Wohlstand im Rest der Welt bei. 

Dies kann nur deshalb funktionieren, weil die USA das privilège exorbitant genießen, sich in einer Währung verschulden zu können, die sie selbst drucken können und die die maßgebliche Reservewährung ist. Gleichzeitig sind die USA ein hoch interessanter Standort für Investitionen aus aller Welt. Die USA überfluten den Rest der Welt mit Dollar als Bezahlung für ihre Leistungsbilanzdefizite und die Wall Street erfindet die Anlageprodukte, um diese Dollar wieder zurückzuholen. Yanis Varoufakis hat darüber einmal ein Buch geschrieben („The Global Minotaour“), ein Buch, das nur deswegen Erfolg haben konnte, weil Fehlentwicklungen im freien Handel und Kapitalverkehr die passenden Gegenargumente dazu lieferten.

Der US Präsidentschaftskandidat Ross Perot prophezeite im Wahlkampf 1992, dass man einen „giant sucking sound of jobs leaving the country“ hören würde, wenn die USA auf Dauer Leistungsbilanzdefizite registrieren würden. Warren Buffett hat zu diesem Thema einmal die Parabel „Thriftville versus Squanderville“ geschrieben. Buffett kennt sich mit Bilanzen aus. Er bezeichnet das US Leistungsbilanzdefizit bilanztechnisch als eine „reduction of national net worth“. In der Zahlungsbilanz erkennt man es daran, dass sich die USA in den letzten 3-4 Jahrzehnten vom größten Kreditgeber zum größten Schuldner der Welt gewandelt haben.

Das blinde Vertrauen in freien Handel und Kapitalverkehr hat dazu geführt, dass heute die globale Wirtschaft darauf basiert, dass ein Player, noch dazu der größte Player (die USA) grenzüberschreitend weit über seine Verhältnisse leben kann und damit Wachstum und Wohlstand im Rest der Welt vorantreibt. Die Ungleichgewichte haben gigantische Ausmaße erreicht. Faktum sollte jedoch sein, dass ein System, das darauf basiert, das der größte Marktteilnehmer offenbar grenzenlos über die eigenen Verhältnisse leben kann, auf Dauer nicht wirklich funktionieren wird. 

All das sind Überlegungen, die bei einer differenzierten Betrachtung von Protektionismus-Globalisierung nicht fehlen sollten.

Ende Zitat

Gratis FFP2 Masken - Eine Farce!

Am 11. Dezember 2020 wurde im Nationalrat beschlossen, alle Österreicher über 65 mit jeweils 10 Stück FFP2 Gratismasken zu versorgen. In Summe soll es sich um rund 1,7 Millionen Menschen handeln. Der Versand sollte noch vor Weihnachten stattfinden. Später wurde der Termin auf 15. Jänner verschoben. 

Heute, 2 Monate danach, ist erst die Hälfte dieser Masken eingegangen. Was kann man daraus folgern?

Grundsätzlich kein Problem für den Bürger, weil er/sie schon seit Wochen überall günstige FFP2 Masken kaufen kann bzw. die Masken da und dort auch geschenkt bekommt. Soweit zum Grundsätzlichen.

In Wirklichkeit ist das ein Beispiel größter Inkompetenz eines Staates! In Zeiten, wo täglich Millionen von FFP2 Masken gehandelt werden, ist die Republik nicht in der Lage, 1,7 Millionen FFP2 Masken innerhalb von 2 Monaten aufzutreiben. Will da vielleicht noch jemand argumentieren, es wäre besser gewesen, Österreich hätte den Corona Impfstoff selbst gekauft statt via die EU?

Eine Farce aus dem Textbuch!