Freitag, 21. März 2014

Wie Eine Notenbank Funktioniert

Dieser Artikel ist keine 'Geschichte aus Österreich', sondern eher eine Geschichte aus der Schweiz. Allerdings befasst sich der Artikel nicht nur mit der Schweiz, sondern mit der Frage, wie eine Notenbank funktioniert, im allgemeinen.

Im Schweizer Blog InsideParadeplatz befasst sich der Autor Dr. Marc Meyer leidenschaftlich (um nicht zu sagen fanatisch) mit der Schweizer Notenbank (SNB). Er behauptet, dass die Verantwortlichen der SNB vollkommen inkompetent sind; dass sie die Schweizer Bürger belügen; und dass das Armageddon für die Schweizer Volkswirtschaft, ausgelöst von der SNB, in Kürze stattfinden wird. Sein besonderer 'Feind' ist Prof. Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der SNB, der im November 2011 in Basel eine Rede zum Thema Braucht die Schweizer Nationalbank Eigenkapital? hielt. Dr. Meyer fordert Prof. Jordan auf, aus Anstand seinen Posten zu räumen, weil er mit seiner Rede bewiesen hat, dass er völlig inkompetent (oder sogar betrügerisch) ist.

Um Dr. Meyer besser zu verstehen, sollte man zuerst nachstehende Artikel von ihm lesen (auch die Kommentare!):

Unsere Nationalbank - jenseits der Beresina
Die SNB und das Märchen der Geldschöpfung
Unsere Nationalbank ist Volksverführern hörig
SNB ist Insolvenz einen Schritt näher

Ich habe wiederholt mit Dr. Meyer 'die Klingen getauscht', er ist jedoch nicht in der Lage, Meinungen von anderen nachvollziehen zu können. Sein letzter Artikel heißt Vollgeld-Initiative - Lachnummer mit Emil. Obwohl dieser Artikel nicht direkt mit der SNB zu tun hat, gab es in den Kommentaren wieder eine vehemente Auseinandersetzung zum Thema SNB. Mein letzter Versuch, Herrn Dr. Meyer eine alternative Sicht einer Notenbank näher zu bringen, ist unten wiedergegeben. Bitte zu beachten, dass diese Auseinandersetzung nicht nur für Spezialisten relevant ist, sondern auch für alle jene, die besser verstehen wollen, wie eine Notenbank à la Fed, EZB oder SNB funktioniert.




"Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,

sofern Sie auf meine Argumentation eingehen wollen, ersuche ich Sie, sich auf die Nummerierung zu beziehen.

1) Sie interpretieren etwas in Jordan’s Rede hinein, was dort so nicht steht. Jordan verwechselt nirgendwo Fremdkapital mit Eigenkapital. Stattdessen sagt Jordan, dass die SNB mit aus dem Nichts geschöpften (und de facto kostenlosem) Geld zinstragende Aktiva aufbauen kann und dass auf diese Weise in Zukunft Ertrag, Profit und Eigenkapital für die SNB geschaffen werden (nicht auf der Stelle; nur im Ablauf der Zeit). Ich habe übrigens nicht behauptet, dass Ihre Argumentation irrwitzig ist. Irrwitzig ist Ihre Behauptung, dass Jordan gesagt habe, dass man mit Gelddrucken Eigenkapital quasi auf der Stelle schaffen kann. Das hat er natürlich nicht gesagt.

2) Ja, die SNB kann CHF aus dem Nichts schaffen; die doppelte Buchhaltung belegt es. Der Gegenposten auf der Aktivseite heißt nicht „Geld aus dem Nichts“, sondern es sind erhöhte financial assets (Wertpapiere, Kredite an Banken, Devisenreserven, etc.).

3) Ich fürchte, Sie können sich einfach nicht von Ihrer (falschen) Überzeugung lösen, dass eine Notenbank genauso funktioniert/bilanziert wie eine normale Bank. Diesen Denkfehler habe ich bis vor ein paar Jahren auch gemacht. Im Unterschied zu Ihnen habe ich meinen Denkfehler eingesehen.

4) Eine Notenbank (auch die SNB) schafft Liquidität nicht für sich selbst; sie schafft sie für die Banken. Und sie macht das via Erhöhung/Reduzierung ihrer Bilanzsumme. Axel Weber hat einmal argumentiert, dass die Bilanzsumme einer Notenbank in normalen Zeiten um die 10% des GDP sein sollte und in schwierigen Zeiten bis zu 30% steigen könnte (ich kann das nicht beurteilen). Dass die Bilanzsumme der SNB schon ca. 80% des Schweizer GDP ausmacht, gibt natürlich Anlass zum Nachdenken.

5) Eine Erhöhung der Bilanzsumme bedeutet per definitionem eine Erhöhung der Aktiva UND der Passiva. Auch das ist doppelte Buchhaltung. Sie verwenden den Ausdruck ‚Schulden‘; Sie sollten jedoch erkennen, dass Notenbankschulden Liquidität/Vermögenswerte im Markt sind. Größtenteils macht eine Notenbank die Bilanzsummenerhöhung mit gedrucktem Geld (Schulden, wenn Sie so wollen). Sie kann jedoch auch ihr Eigenkapital erhöhen und das beschreibt Jordan folgendermaßen: „Zum Wiederaufbau von Eigenkapital braucht es – nicht anders als bei privaten Unternehmen – Gewinne. Denn mit Gelddrucken kann Eigenkapital, wie gesagt, nicht nachhaltig aufgestockt werden. Die Geldschöpfung erlaubt lediglich, den Zahlungsverpflichtungen vollständig nachzukommen“. Haben Sie diesen Satz übersehen? Es ist ein Schlüsselsatz!

6) Sie sagen – richtigerweise –, dass die SNB keine CHF-Wertpapiere hat, bestätigen jedoch damit, dass Sie meine Argumentation nicht nachvollzogen haben. Ich behaupte, dass eine Notenbank IN IHRER LANDESWÄHRUNG nicht illiquide werden kann, weil sie eben die Landeswährung drucken kann (Erhöhung Bilanzsumme). Ich habe absichtlich die Fremdwährungen abseits gelassen, weil in Fremdwährung eine Notenbank sehr wohl illiquide werden kann (weil sie eben diese Fremdwährung nicht drucken kann). Trotzdem gilt meine Argumentation auch für die Devisenpositionen der SNB: die SNB kauft(e) die Devisen mit gedruckten CHF, erhöhte dadurch Aktiva/Passiva (Bilanzsumme), allerdings mit Devisen auf der Aktivseite und CHF auf der Passivseite. Anders ausgedrückt: die SNB baute eine furchterregende long position Fremdwährung/CHF auf. Jede long/short position ist einem Bewertungs- und/oder Verlustrisiko ausgesetzt.

7) Jordan SAGT NICHT, dass die SNB mit Geldschöpfung CHF-Zahlungsverpflichtungen ‚abbauen‘ kann. Stattdessen sagt er, dass die SNB dadurch ‚ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann‘. Den Unterschied zwischen diesen beiden Aussagen brauche ich wohl nicht zu erklären. Wollte oder müsste die SNB ihre Schulden/Verbindlichkeiten abbauen, dann müsste sie die Bilanzsumme reduzieren, d. h. Aktiva verwerten. Dann würde sie dem Markt CHF-Liquidität entziehen.

8) Wenn ein Anleger über Nacht 10 Mrd.CHF von einer kleineren Kantonalbank abzieht und zur UBS überweist, könnte die Kantonalbank illiquide werden. Wenn ein SNB-Anleger auf der Stelle 100 Mrd.CHF von der SNB abzieht, was macht er dann mit diesen CHF? CHF können letztendlich nur auf einem Schweizer Bankkonto liegen. Die SNB belastet das Konto von Bank A und erkennt das Konto von Bank B. Wir wären wieder bei der doppelten Buchhaltung.

9) Aus dem gleichen Grund kann die EZB in Euro nie illiquide werden.

10) Die EZB könnte insolvent werden? Insolvenz tritt ein, wenn die Passiva die Aktiva übersteigen. Es sei denn, diese Regel gilt nicht. Bei der EZB gilt sie nicht, weil Sie nirgendwo in den EZB-Statuten einen Passus finden werden, der ein positives Eigenkapital verlangt.

11) Wie ich schon oft erwähnt habe, ist das bei der SNB etwas anders, weil die SNB nicht wie eine normale Notenbank à la Fed oder EZB strukturiert ist. Jordan umschifft diesen Punkt geschickt in seiner Rede. Sie gehen nicht einmal darauf ein. Meine Meinung? Ich glaube nicht, dass die SNB einfach so ein negatives Eigenkapital fahren könnte (wegen des SNB-Gesetzes). Sie müsste wohl wieder eine Bundeshaftung bekommen.

12) Ihre (a) – (e) Punkte, mit denen sie meine Überlegungsfehler nachweisen wollen, sind einfach falsch.

13) Dass gedruckte CHF auf der Passiv- und nicht auf der Aktivseite der SNB Bilanz sind, habe ich wohl schon mehr als umfassend dargestellt. Auf der Aktivseite sind die Vermögenswerte, die die SNB mit dem gedruckten Geld kauft (Bilanzsummenerhöhung; Erhöhung CHF-Liquidität im Markt).

14) Sie faszinieren sich mit der Behauptung, dass Passiva der SNB Schulden der SNB sind. Na ja, dass Verbindlichkeiten keine Vermögenswerte sind, ist wohl keine große Überraschung!

15) Aber was sind Schulden einer Notenbank? Sie sind nichts Anderes als Aktiva jener Banken, die die Forderungen an die SNB haben. Sie haben einmal behauptet, dass die Schweizer Wirtschaft die Devisenkäufe der SNB finanziert. Wenn die SNB Devisen kauft, dann bezahlt sie dafür mit gedruckten CHF; d. h. sie bringt CHF-Liquidität in den Markt (sie erhöht ihre Bilanzsumme). SIE ZIEHT KEINE LIQUIDITÄT AUS DEM MARKT AB! (Letzteres passiert dann, wenn die SNB ihre Bilanzsumme reduziert).

16) Der Steuerzahler wird NIE für die Schulden der SNB haften müssen. Diesen Schulden stehen Vermögenswerte auf der Aktivseite gegenüber. Der Steuerzahler KÖNNTE EINMAL für ein negatives Eigenkapital haften müssen, wenn der Bund Eigenkapital nachschießen müsste. Normalerweise sind die einzigen Kosten für den Steuerzahler die Opportunitätskosten, dass er von der SNB – bei negativem Eigenkapital – keine Ausschüttung bekommt.

17) Übrigens, per 2012 war das Eigenkapital der SNB in der Tat – wie ich gesagt habe  – 10 Mrd.CHF. Sie rechnen die Rückstellungen für Währungsrisiken dem Eigenkapital zu und das ist falsch. Rückstellungen sind Verbindlichkeiten und werden aus den Erträgen gebildet. Sie dienen dazu, den net profit vor Währungsverlusten zu schützen. Es sind die Rücklagen, welche Eigenkapital sind und sie werden aus dem net profit gebildet.

18) Kurz und gut: ich meine, dass die Rede von Jordan hieb- und stichfest ist. Das, was Sie an Jordan kritisieren, ist nicht, was er gesagt hat, sondern was sie in seine Aussagen – fälschlicherweise – hineininterpretieren und/oder was Sie – fälschlicherweise – behaupten, dass er gesagt habe.

19) Nochmal: eine Notenbank steuert die Liquidität, die sie für das System schöpft, durch eine Erhöhung/Reduzierung ihrer Bilanzsumme (das erfordert die doppelte Buchhaltung). Bestes Beispiel dafür ist die Fed mit ihrem QE. Es gibt keinen Aktivposten mit dem Namen „Geld aus dem Nichts“. Stattdessen stehen auf der Aktivseite einer Notenbank i.d.R. Finanzanlagen, Kredite an Banken, Devisenreserven, etc. als Gegenbuchung für gedrucktes Geld. Die Bilanzsumme auszuweiten, ist für eine Notenbank relativ einfach. Es ist die Reduzierung der Bilanzsumme, wo es schwierig wird (siehe Fed mit tapering)".

3 Kommentare:

  1. Ich hatte früher versucht, mir aus der Diskussion auf InsideParadeplatz eine eigene Meinung zu bilden, aber aufgegeben weil ich den Eindruck hatte, dass es sich eher um einen Glaubenskrieg handelt ;)

    Ich kann Ihre obige Argumentation lückenlos nachvollziehen. Besonders Pt. 6 ist für einen Schweizer beunruhigend:
    .
    "Anders ausgedrückt: die SNB baute eine furchterregende long position Fremdwährung/CHF auf. Jede long/short position ist einem Bewertungs- und/oder Verlustrisiko ausgesetzt."
    .
    Merkwürdigerweise wird dieses Thema in der schweizerischen Presse praktisch totgeschwiegen. Einzig der umstrittene SVP-Politiker Blocher hat zu Beginn dieser Massnahme auf die erheblichen Risiken hingewiesen und davon abgeraten.

    Weil er für die übrigen Parteien trotz den regelmässigen Siegen seiner Partei als Prügelknabe dient hat seine Warnung leider keine angemessene Beachtung gefunden.

    H.Trickler

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    1. Ich glaube, wir haben schon einmal diskutiert, dass damals die Schweiz vor einer Pest-oder-Cholera Entscheidung stand (vielleicht immer noch steht). Martkmeinungen waren damals, der CHF würde auf 1:1 zum Euro gehen und dann hätte es sicher in der Schweizer Wirtschaft gekracht. Ebenso hätte der CHF sogar noch stärker werden können. Oder --- man betrachtete diese CHF-Stärke als ein vorübergehendes Symptom der Finanzunsicherheit. Dann würde der CHF à la long vielleicht wieder in Richtung 1,50 zum Euro sinken und alle würden wieder happy sein.

      In der Vergangenheit hatte die Schweiz - glaube ich - schon einmal mit Negativzinsen agiert. Das wäre sicherlich eine Alternative (vor allem, wenn man Negativzinsen nur bei Auslandsveranlagungen einsetzt), aber da gibt es sicherlich gesetzliche Hürden.

      Aber auch dann --- woher weiß man, dass Anleger in Zeiten der Unsicherheit nicht auch Negativzinsen akzeptieren, solange sie nur den guten, harten CHF haben? Immerhin konnte Deutschland vor nicht allzulanger Zeit 10-Jahresbonds mit einer negativen Rendite für die Anleger platzieren.

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    2. Ja, es gab schon einmal Negativzinsen, eine gesetzliche Hürde besteht jedenfalls nicht.
      Ich muss aber gestehen, nicht zu wissen wie Negativzinsen funktionieren.

      Wenn Anleger Negativzinsen akzeptieren, so kriegt die SNB wenigstens den Nutzen davon. Wenn der Zinsfuss hoch genug ist, muss es zwingend die Wirkung haben, dass andere Anlageformen attraktiver werden und sich das Problem legt.

      Ich denke, dass die jetzige Taktik sehr hohe Risiken birgt und unverantwortlich ist.
      Wo bitte wären mögliche Nachteile von Negativzinsen?

      H. Trickler

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