Arme Schweiz! Bald könnte die
Schweiz für weniger erfolgreiche Länder (wie z. B. Österreich) zum Beispiel
dafür werden, dass es gar nicht so gut ist, alles richtig zu machen und extrem
erfolgreich zu sein. Warum?
Das Vertrauen der Welt in die
Schweiz und ihre Währung Franken (CHF) ist aufgrund der Schweizer Erfolge
ungebrochen. Mit dem Ergebnis, dass der CHF gewissermaßen eine Fluchtwährung
geworden ist. Je unsicherer alle anderen Währungen werden, desto wohler
scheinen sich die Inhaber des Geldes mit dem CHF zu fühlen. Nach der Einführung
des Euro hatte sich der EUR/CHF Kurs 10 Jahre lang relativ stabil zwischen
1,50-1,60 bewegt. Ein österreichischer Häuslbauer, der Ende der 2000er Jahre
seinen Finanzberater fragte, ob es nicht doch riskant werden könnte, sein
Vorhaben mit CHF zu finanzieren; ob der CHF nicht vielleicht doch einmal auf
1,20 gehen könnte, hätte mit Sicherheit als Antwort bekommen: „Das ist
unmöglich! Da würde doch die Schweizer Exportwirtschaft kaputt gehen!“
Ab 2010
begann die Flucht von anderen Währungen in den CHF und der rasante Anstieg des
Wechselkurses setzte ein. Sicherlich nicht wegen der Schweizer Zinsen. Bei 1,20
zog die Schweizer Notenbank (SNB) die Notbremse und verkündete ihre
Kursstützungspolitik. Auch hier war die Schweiz wieder anders. Andere Länder
verstehen i.d.R. unter einer Kursstützungspolitik, die eigene Währung vor der
Abwertung zu schützen. Die Schweiz musste ihre eigene Währung vor der
Aufwertung schützen! Um dies zu bewerkstelligen, musste die SNB anderen ihre
Devisen, die sie nicht mehr haben wollten, abkaufen und sie mit CHF, die die
anderen haben wollten, bezahlen. Die SNB musste also CHF drucken nicht um ein
Budgetloch zu füllen, sondern um dem Bedarf nach CHF seitens der Investoren
nachzukommen. Im Endergebnis bedeutet dies jedoch, dass CHF gedruckt wurden.
Seit 2010 hat die SNB rund 450 Mrd.CHF gedruckt, um anderen ihre Devisen
abzukaufen. Die Devisenreserven der SNB (mit gedruckten CHF finanziert) machen
bereits mehr als 80% der Bilanzsumme der SNB aus und fast ¾ des Schweizer BIP.
Während die Bilanzsumme anderer Notenbanken (Fed, EZB) selbst in Krisenzeiten
bei 25-30% des BIP liegt, ist die Quote der SNB schon nahezu 90%! Nicht alle
Investoren lassen die gekauften CHF auf der Bank liegen. Viele investieren das Geld
in Sachwerte wie z. B. Immobilien. Erste Fragen werden gestellt, ob sich die
Schweiz vielleicht bereits in einer Immobilienblase befindet.
Das viel größere
Problem sind jedoch die Devisenreserven im Gegenwert von rund 450 Mrd.CHF.
Sollte die SNB ihre Kursstützungspolitik einmal nicht durchstehen und sollte
anschließend der EUR/CHF Kurs auf 1:1 gehen, dann wären rund 80 Mrd.CHF an
Volksvermögen durch Wertberichtigungen bei den Devisenreserven der SNB
vernichtet (tatsächliche Verluste würden allerdings erst entstehen, wenn die
SNB Devisenreserven bei 1:1 verkauft). Außerdem hätte dann die Schweizer
Exportwirtschaft genau jenen überteuerten CHF, den man vermeiden wollte.
Nachdem die SNB das Geldmonopol für den CHF hat, könnte sie natürlich ihre
Kursstützungspolitik auf ewig durchstehen: sie müsste einfach auf ewig CHF
drucken und Devisen kaufen. Je mehr sie allerdings davon tut, desto größer wird
ein allfälliges Abwertungsrisiko, falls sie die Kursstützungspolitik doch
aufgeben müsste. Und übrigens: hat Gelddrucken nicht auch etwas mit Inflation
zu tun?
Die SNB gibt sich hoffnungsvoll, dass sich dieses Problem von selbst
lösen wird. Ab 2015 erwartet sie einen Zinsanstieg in anderen Währungen relativ
zum CHF. Dann würden, so die Logik, Investoren CHF wieder gegen Devisen
verkaufen und die Devisenreserven der SNB und die CHF Geldmenge würden von
selbst wieder auf ein vernünftiges Niveau sinken. Durchaus möglich. Oder auch
nicht.
Man lasse z. B. die Euro- oder andere Krisen wieder aufflammen. Könnte
es dann möglicherweise zu einer erneuten Flucht in den CHF kommen? Wenn ja,
dann müsste die SNB entweder massiv CHF drucken, um Devisen zu kaufen und den
Wechselkurs zu halten oder sie gibt ihre Kursstützungspolitik auf und lässt den
Kurs durch die Decke rasseln mit dem Ergebnis eines massiven
Bewertungsverlustes und einem teuren CHF für die Exportwirtschaft.
Je
erfolgreicher die Schweiz als kleines Land inmitten der Eurozone wird, desto
mehr wird sie Gefangene ihres Erfolges. Nicht nur, dass Bürger aus anderen
Ländern in die Schweiz wollen, sondern auch die Währungen anderer Länder. Und
je mehr von beiden geschieht, desto mehr Risiken wird sich die Schweiz
aussetzen müssen. Da ist doch ein Land wie Österreich bestens beraten, nicht so
erfolgreich wie die Schweiz werden zu wollen!
Übrigens: der CHF ist heute rund
25% teurer als vor 4 Jahren. Trotzdem rast die Schweizer Exportwirtschaft von
Rekord zu Rekord und der Leistungsbilanzüberschuss der Schweiz ist, gemessen am
BIP, fast doppelt so hoch wie jener Deutschlands. Könnte es sein, dass der
Schweizer Erfolg vielleicht doch aus mehr besteht als nur Schwarzgeld-Banken?
Originalveröffentlichung hier.
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