Montag, 25. August 2014

Das Geheimnis des Euro-Bekenntnisses

Es gehört zum Repertoire seriöser Politiker aus seriösen Parteien, von allfälligen Koalitionspartnern ein klares Bekenntnis zum Euro zu verlangen, sehr oft verbunden mit der Moralkeule, dass ein Zweifel am Euro auch einen Zweifel an der EU, dem bekanntermaßen großen Friedensprojekt, bedeuten würde.

Leider verschweigen diese seriösen Politiker einen wichtigen Teil der Wahrheit, warum sie dieses Bekenntnis einfordern. Für die wirtschaftlich starken Länder wie Deutschland oder Österreich bedeutet der Euro einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den wirtschaftlich schwachen Ländern der heutigen Eurozone. Gäbe es in den Ländern der heutigen Eurozone Lokalwährungen, dann würden beispielsweise eine DM oder ein Schilling deutlich gegenüber den anderen Währungen aufwerten. Aller Wahrscheinlichkeit würden diese Währungen auch gegenüber Drittwährungen aufwerten. Als Ergebnis würden in den wirtschaftlich starken Ländern die Exporte in die Länder der heutigen Eurozone sinken (wahrscheinlich auch die Exporte in Drittländer), die Importe würden steigen (vor allem aus den Ländern der heutigen Eurozone) und das Wirtschaftswachstum würde unter Druck kommen.

Eine ehrliche Aussage seitens der wirtschaftlich starken Länder über das Bekenntnis zum Euro müsste folgendermaßen lauten: „Wir wollen den Euro, weil er uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft, den wir ohne den Euro nicht hätten und weil wir für diesen Wettbewerbsvorteil nichts zahlen müssen“. Letzteres stimmt nicht ganz, denn zahlen werden die wirtschaftlich starken Länder früher oder später müssen: entweder, weil sie Kredite an die wirtschaftlich schwachen Länder abschreiben oder weil sie Transfers leisten müssen (oder weil sie weniger exportieren können). Anders geht das nicht in einer Währungsunion von Volkswirtschaften unterschiedlicher Produktivität und Leistungskraft.

Der große europäische Liberale Prof. Ralf Dahrendorf (2009 gestorben als Lord Dahrendorf) hatte 1995 in einem Spiegel-Interview folgendes gesagt: „Das Projekt Währungsunion erzieht die Länder zu deutschem Verhalten, aber nicht alle Länder wollen sich so verhalten wie Deutschland. Für Italien sind gelegentliche Abwertungen viel nützlicher als feste Wechselkurse, und für Frankreich sind höhere Staatsausgaben viel sinnvoller als starres Festhalten an einem Stabilitätskriterium, das vor allem Deutschland nützt. Der Preis (für Italien und Frankreich) ist sehr hoch, und es kann sich schon bald herausstellen, dass er zu hoch ist – psychologisch, politisch und ökonomisch“. Nach dem ersten Euro-Jahrzehnt wusste man, dass man manche Länder nicht zu deutschem Verhalten erziehen kann, vor allem nicht mit einer Währung.

Der weltweit anerkannte Finanzjournalist Ambrose Evans-Pritchard schrieb unlängst in der Financial Times ein Plädoyer, dass „Italien auf sich selbst schauen muss“ und dass der einzige Weg aus der Krise für Italien eine Rückkehr zur Lire ist. AEP erinnerte daran, dass Italien zu Lire-Zeiten oft einen Handelsbilanzüberschuss mit Deutschland hatte und dass sein Industriesektor zu den Großen der Welt gehörte.

Vor diesem Hintergrund ist es schlichtweg fahrlässig, am Dogma „fällt der Euro, dann fällt die EU“ festzuhalten. Der Euro in seiner heutigen Struktur kann nur unter zwei Voraussetzungen langfristig überleben: entweder (a) eignen sich die Südländer (inkl. Frankreich) zügig deutsches Verhalten an oder (b) Deutschland und andere starke Wirtschaften eignen sich südländisches Verhalten an. Keine dieser Voraussetzungen erscheint erfolgsversprechend und eine Mischung zwischen beiden ist weder Fisch noch Fleisch.

Es geht nicht darum, für eine Auflösung der Eurozone zu plädieren. Vielmehr geht es darum, endlich einmal eine ergebnisoffene Diskussion zuzulassen, welche Alternativen es zur heutigen Eurozone geben könnte. Vorschläge von Ökonomen und Finanzjournalisten gibt es genug. Was es noch nicht gibt, ist die Bereitschaft seriöser Politiker aus seriösen Parteien, sich auf eine ergebnisoffene Diskussion einzulassen.

Originalveröffentlichung hier.

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