Montag, 15. Dezember 2014

Neue Eurokrise Unterm Weihnachtsbaum

Am 4. September 1970 erzielte Salvator Allende, Kandidat der Sozialisten, Kommunisten und kleineren Linksparteien, bei den chilenischen Präsidentschaftswahlen 36,3% der Stimmen. Dies reichte aus, um ihn anschließend zum ersten demokratisch gewählten, kommunistischen Staatschef zu küren.

Ende Jänner 2015 werden in Griechenland aller Wahrscheinlichkeit nach vorgezogene Neuwahlen stattfinden. Alexis Tsipras, Kandidat einer Gruppierung von Linksparteien (SYRIZA), wird aller Wahrscheinlichkeit nach daraus als Sieger hervorgehen. Sein Stimmenanteil wird laut Umfragen zwischen 30-35% liegen. Dies sollte ausreichen, um ihn zum ersten demokratisch gewählten, linksradikalen (mit kommunistischem Hintergrund) Regierungschef eines EU Mitgliedstaates zu küren.

Allende hatte Chile in wirtschaftliches Chaos gestürzt. Trotzdem wird er bis ans Ende der Zeit Liebling aller progressiven Studenten und vieler Intellektueller bleiben. Nicht Allende ist gescheitert, so deren Argumentation, sondern die bösen Mächte dieser Welt haben ihn zum Scheitern gebracht. Tsipras wird ebenso als griechischer Held in die Geschichte eingehen. Entweder, weil er scheitert (…die bösen Mächte dieser Welt…) oder, und vor allem, wenn er Erfolg hat.

Auslöser für die vorgezogenen Neuwahlen wird wahrscheinlich die bevorstehende Neuwahl eines Staatspräsidenten sein, an und für sich ein rein repräsentatives Amt ohne politische Macht. Der Staatspräsident wird vom Parlament gewählt und seine Wahl erfordert eine 60%-ige Mehrheit unter den Abgeordneten. Sollte kein Kandidat diese 60% erreichen, kommt es laut Verfassung zu sofortigen Neuwahlen. SYRIZA, die größte Oppositionspartei, hat bereits angekündigt, jeden Kandidaten abzulehnen, um Neuwahlen zu provozieren. Entscheidend für den Ausgang der Präsidentschaftswahl wird das Wahlverhalten der kleineren Oppositionsparteien sein. Offiziell haben alle Oppositionsparteien verlautbart, jeden Kandidaten abzulehnen. Am 29. Dezember findet der dritte und letzte Wahlgang statt.

Sollte Tsipras in der Tat an die Macht kommen und eine Regierung bilden, dann grenzte es an ein Wunder, würde diese Regierung auch nur 3 Monate überleben. Tsipras verfolgte bisher zwei verschiedene Sprachregelungen: eine sehr radikale Sprachregelung für seine griechischen Anhänger und Wähler (denen er versprach, sämtliche Kreditvereinbarungen mit der EU aufzukündigen bzw. „zu zerreissen“, der Austerität sofort ein Ende zu setzen und wieder für soziale Gerechtigkeit zu sorgen) und eine andere Sprachregelung für internationale Investoren, die er zu überzeugen versuchte, dass sie von einer SYRIZA Regierung nichts zu befürchten hätten.

Tsipras wird sich an seinem Wahlerfolg nur wenige Wochen erfreuen können. Ende Februar läuft das EU Hilfsprogramm für Griechenland aus und Tsipras wird Farbe bekennen müssen. Entweder hält er sein Versprechen gegenüber seinen Anhängern und Wählern oder er hält jenes gegenüber den internationalen Investoren. Die Möglichkeit eines Mittelweges ist nicht zu erkennen. Sollte Tsipras den internationalen Investoren den Vorrang geben (alles andere würde den sofortigen Zusammenbruch Griechenlands bedeuten), dann verliert er ca. 1/3 seiner radikalen Unterstützer sofort und die Regierung würde scheitern. Sollte es Tsipras trotzdem gelingen, sich aus diesem Dilemma erfolgreich zu befreien, dann wären ihm in der Tat große Erfolge für Griechenland zuzutrauen.

Die Regierung setzt alles auf ihr wirkungsvollstes Instrument – Angstmache. Zu einer SYRIZA Regierung würde es gar nicht erst kommen, so die Regierung, weil vorher schon ein Bankenrun den Zusammenbruch des Bankensystems einleiten würde. Als Konsequenz müsste Griechenland aus der Eurozone austreten. Ausdrücke wie „Grexit“ oder „Depositenflucht“ sind wieder in aller Munde und könnten sich noch vor der Wahl als sich selbst erfüllende Prophezeiungen entlarven.

Rund 60% der Griechen wollen laut Umfragen keine Neuwahlen und ein ebenso großer Anteil der Griechen möchte den Euro behalten. Dass diese zwei Faktoren vielleicht doch noch ein Überleben der jetzigen Regierung ermöglichen, ist also nicht ganz auszuschließen. Wenn allerdings die Regierung die Präsidentschaftswahl nicht überlebt, dann steht Griechenland mit großer Wahrscheinlichkeit vor chaotischen Zeiten. Die Eurozone möglicherweise auch.

Originalveröffentlichung hier

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