Am 4.
September 1970 erzielte Salvator Allende, Kandidat der Sozialisten, Kommunisten
und kleineren Linksparteien, bei den chilenischen Präsidentschaftswahlen 36,3%
der Stimmen. Dies reichte aus, um ihn anschließend zum ersten demokratisch
gewählten, kommunistischen Staatschef zu küren.
Ende Jänner
2015 werden in Griechenland aller Wahrscheinlichkeit nach vorgezogene Neuwahlen
stattfinden. Alexis Tsipras, Kandidat einer Gruppierung von Linksparteien
(SYRIZA), wird aller Wahrscheinlichkeit nach daraus als Sieger hervorgehen.
Sein Stimmenanteil wird laut Umfragen zwischen 30-35% liegen. Dies sollte
ausreichen, um ihn zum ersten demokratisch gewählten, linksradikalen (mit
kommunistischem Hintergrund) Regierungschef eines EU Mitgliedstaates zu küren.
Allende hatte
Chile in wirtschaftliches Chaos gestürzt. Trotzdem wird er bis ans Ende der
Zeit Liebling aller progressiven Studenten und vieler Intellektueller bleiben.
Nicht Allende ist gescheitert, so deren Argumentation, sondern die bösen Mächte
dieser Welt haben ihn zum Scheitern gebracht. Tsipras wird ebenso als
griechischer Held in die Geschichte eingehen. Entweder, weil er scheitert (…die
bösen Mächte dieser Welt…) oder, und vor allem, wenn er Erfolg hat.
Auslöser für
die vorgezogenen Neuwahlen wird wahrscheinlich die bevorstehende Neuwahl eines
Staatspräsidenten sein, an und für sich ein rein repräsentatives Amt ohne
politische Macht. Der Staatspräsident wird vom Parlament gewählt und seine Wahl
erfordert eine 60%-ige Mehrheit unter den Abgeordneten. Sollte kein Kandidat
diese 60% erreichen, kommt es laut Verfassung zu sofortigen Neuwahlen. SYRIZA,
die größte Oppositionspartei, hat bereits angekündigt, jeden Kandidaten
abzulehnen, um Neuwahlen zu provozieren. Entscheidend für den Ausgang der
Präsidentschaftswahl wird das Wahlverhalten der kleineren Oppositionsparteien
sein. Offiziell haben alle Oppositionsparteien verlautbart, jeden Kandidaten
abzulehnen. Am 29. Dezember findet der dritte und letzte Wahlgang statt.
Sollte
Tsipras in der Tat an die Macht kommen und eine Regierung bilden, dann grenzte
es an ein Wunder, würde diese Regierung auch nur 3 Monate überleben. Tsipras
verfolgte bisher zwei verschiedene Sprachregelungen: eine sehr radikale
Sprachregelung für seine griechischen Anhänger und Wähler (denen er versprach,
sämtliche Kreditvereinbarungen mit der EU aufzukündigen bzw. „zu zerreissen“,
der Austerität sofort ein Ende zu setzen und wieder für soziale Gerechtigkeit
zu sorgen) und eine andere Sprachregelung für internationale Investoren, die er
zu überzeugen versuchte, dass sie von einer SYRIZA Regierung nichts zu befürchten
hätten.
Tsipras wird
sich an seinem Wahlerfolg nur wenige Wochen erfreuen können. Ende Februar läuft
das EU Hilfsprogramm für Griechenland aus und Tsipras wird Farbe bekennen
müssen. Entweder hält er sein Versprechen gegenüber seinen Anhängern und Wählern
oder er hält jenes gegenüber den internationalen Investoren. Die Möglichkeit
eines Mittelweges ist nicht zu erkennen. Sollte Tsipras den internationalen
Investoren den Vorrang geben (alles andere würde den sofortigen Zusammenbruch
Griechenlands bedeuten), dann verliert er ca. 1/3 seiner radikalen Unterstützer
sofort und die Regierung würde scheitern. Sollte es Tsipras trotzdem gelingen,
sich aus diesem Dilemma erfolgreich zu befreien, dann wären ihm in der Tat
große Erfolge für Griechenland zuzutrauen.
Die Regierung
setzt alles auf ihr wirkungsvollstes Instrument – Angstmache. Zu einer SYRIZA
Regierung würde es gar nicht erst kommen, so die Regierung, weil vorher schon
ein Bankenrun den Zusammenbruch des Bankensystems einleiten würde. Als
Konsequenz müsste Griechenland aus der Eurozone austreten. Ausdrücke wie
„Grexit“ oder „Depositenflucht“ sind wieder in aller Munde und könnten sich
noch vor der Wahl als sich selbst erfüllende Prophezeiungen entlarven.
Rund 60% der
Griechen wollen laut Umfragen keine Neuwahlen und ein ebenso großer Anteil der
Griechen möchte den Euro behalten. Dass diese zwei Faktoren vielleicht doch
noch ein Überleben der jetzigen Regierung ermöglichen, ist also nicht ganz
auszuschließen. Wenn allerdings die Regierung die Präsidentschaftswahl nicht
überlebt, dann steht Griechenland mit großer Wahrscheinlichkeit vor chaotischen
Zeiten. Die Eurozone möglicherweise auch.
Originalveröffentlichung hier.
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