„Kanzlerin
Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble halten einen Austritt des
Landes aus der Gemeinschaftswährung für verkraftbar“, berichtete Der Spiegel
und die Bundesregierung dementierte nicht sofort, womit dem Bericht Glauben
geschenkt werden darf. Diese lancierte Meldung kann nicht anders verstanden
werden als eine unwürdige Botschaft an die griechischen Wähler, sich sehr gut
zu überlegen, ob sie wirklich die links-radikale SYRIZA wählen wollen.
Eine
links-radikale griechische Regierung wird von den EU-Eliten – aus sehr
verständlichen Gründen – nicht gewünscht. Auch von vielen Griechen nicht. Es
ist auch nicht auszuschließen, dass die Maßnahmen einer SYRIZA-Regierung dem
Land Armut und Chaos bescheren könnten. Es muss jedoch dem nationalen,
demokratischen Prozess überlassen bleiben, eine neue Regierung ohne
Beeinflussung von außen wählen zu können. Alles andere erinnert an die
EU-Sanktionen gegen Österreich, als eine demokratisch gebildete österreichische
Regierung den EU-Eliten nicht genehm war.
Seitdem in
Griechenland vor ein paar Monaten wieder politische Unruhe eingekehrt ist, hat
der griechische Regierungschef Samaras bei jeder Auseinandersetzung mit der
Opposition die Grexit-Keule geschwungen. Das war und ist eines Regierungschefs
aus der staatstragenden, konservativen Partei absolut unwürdig, man könnte
jedoch einbringen, dass dies dem oftmals unappetitlichen Verhalten griechischer
Politiker entspricht. Dass sich nun auch Spitzenpolitiker aus anderen Ländern
dieses unappetitliche Verhalten zu eigen machen, ist ein Armutsbekenntnis für
das europäische Demokratieverständnis.
Die Androhung
eines Grexit entspricht einem sehr hohen Ausmaß an Arroganz, weil gemäß
EU-Verträgen ein Ausschluss aus der Währungsunion nicht möglich ist. Selbst ein
freiwilliger Austritt ginge nur mit einem gleichzeitigen Austritt aus der EU.
Deutsche Politiker lassen die Öffentlichkeit wissen, dass „findige Anwälte“
sicherlich einen Ausweg finden würden. Genauso, wie sie Wege gefunden haben,
die „no bail-out Klausel“, das Verbot der Schuldenvergemeinschaftung und das
EZB-Verbot der Staatsfinanzierung zu umschiffen. Das Vertrauen in die
Rechtsstaatlichkeit der EU wird damit sicherlich nicht gefördert.
Es ist
absolut widersinnig, einem Land das Ausscheiden aus der Währungsunion
anzudrohen und/oder nahezulegen, nur weil es die mit der Troika getroffenen
Vereinbarungen nicht einhalten will. Diese Vereinbarungen waren doch kein
Selbstzweck! Sie waren Mittel zum Zweck, wobei dieser Zweck war, dass die
griechische Volkswirtschaft via Reformen und andere Maßnahmen wieder gesunden
sollte.
Von einer
Gesundung der griechischen Volkswirtschaft kann keine Rede sein: fast eine
Million Griechen sind ohne Einkommen und Krankenversicherung; fast drei
Millionen sind in Armut oder armutsgefährdet mit rasch steigender Tendenz; die
Arbeitslosenquote ging von 28% auf 25% nur deswegen zurück, weil sehr viele
Griechen mittlerweile das Land verlassen haben.
Vor diesem Hintergrund ist es absolut legitim, ja sogar notwendig, die bisher vereinbarten Maßnahmen in Frage zu stellen; zu hinterfragen, warum sie nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben. Ohne Zweifel war Griechenland beim Sparen weltmeisterlich: kein anderer Staat hat jemals so viel Geld aus der Wirtschaft genommen (Kostensenkungen, Steuererhöhungen) wie Griechenland seit 2010. Griechenland ist insgesamt wesentlich „billiger“ geworden. Trotzdem hat dies die erwünschte Wirkung nicht gebracht.
Vor diesem Hintergrund ist es absolut legitim, ja sogar notwendig, die bisher vereinbarten Maßnahmen in Frage zu stellen; zu hinterfragen, warum sie nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben. Ohne Zweifel war Griechenland beim Sparen weltmeisterlich: kein anderer Staat hat jemals so viel Geld aus der Wirtschaft genommen (Kostensenkungen, Steuererhöhungen) wie Griechenland seit 2010. Griechenland ist insgesamt wesentlich „billiger“ geworden. Trotzdem hat dies die erwünschte Wirkung nicht gebracht.
Bei einer
verantwortungsvollen Ursachenforschung wird man nicht an der Frage
vorbeikommen, ob der Euro eine passende Währung für die griechische Wirtschaft
ist. Damit der Euro für Griechenland positiv wirken kann, müssten staatliche
und wirtschaftliche Strukturen von Grund auf reformiert werden und hier stellt
sich die Frage der Reformfähigkeit Griechenlands. Ja, viele Troika-Maßnahmen wurden
bisher umgesetzt, aber wesentliche und tiefgreifende Reformen wurden mit der
gleichen Zähigkeit verhindert, wie Österreich einer Verwaltungsreform aus dem
Wege geht. Und was das Kaufen von Wählerstimmen betrifft, das seit über 3
Jahrzehnten die griechische Politik geprägt hat und das die konservative
Regierung abschaffen wollte: kaum standen mögliche Neuwahlen im Raum,
verabschiedete die Samaras-Regierung kurz vor Weihnachten eine Maßnahme, 210
ehemalige Beschäftige der Athener Metro wieder einzustellen. Es waren die
gleichen Beschäftigten, die die letzte konservative Regierung 2009 kurz vor
ihrer Abwahl eingestellt hatte, die jedoch später wegen Umgehung der
Einstellungsbedingungen wieder entlassen wurden. Vier Mal war vorher die
Samaras-Regierung mit der Wiedereinstellung gescheitert. Vor Weihnachten
stimmte dann auch die SYRIZA mit, womit sich auch bei SYRIZA die Frage stellt,
ob diese Partei wirklich mit den unappetitlichen Praktiken der Vergangenheit
brechen will.
Die letzten
15 Jahre haben gezeigt, wie zerstörerisch der Euro für eine reformunfähige
griechische Wirtschaft sein kann. Vor diesem Hintergrund – und nicht wegen des
Einhaltens von nicht funktionierenden Vereinbarungen – sollte die Frage eines
möglichen Grexit gestellt werden. Das primäre Interesse der EU kann doch nicht
sein, ein Land zu Reformen zu zwingen, wenn dieses Land in den fast 200 Jahren
seiner modernen Geschichte gezeigt hat, dass es reformunfähig ist. Und schon
gar nicht kann man notwendige Reformen mit einer Währung erzwingen. Da wäre ein
Grexit in der Form einer „einvernehmlichen Scheidung mit Alimenten“ sicherlich
ein sinnvollerer Weg.
Laut einer
aktuellen Umfrage wollen fast 75% der Griechen den Euro beibehalten, „koste es,
was es wolle“. Gleichzeitig gibt es Umfragen, dass eine Mehrheit der Griechen
der sogenannten Sparpolitik ein Ende setzen möchte. Dass diese zwei Standpunkte
nicht miteinander vereinbar sind, haben selbst extrem links-radikale Ökonomen
der links-radikalen SYRIZA begriffen, die sich kürzlich zur Aussage hinreißen
ließen, dass „ein Euro für Griechenland ohne begleitende Kontrolle der Troika“
nicht vorstellbar bzw. eine Illusion sei. Und genauso ist es!
Originalveröffentlichung hier.
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