Dieser Artikel ist keine
'Geschichte aus Österreich', sondern eher eine Geschichte aus der Schweiz. Allerdings befasst sich der Artikel nicht nur mit der Schweiz, sondern mit der Frage, wie eine Notenbank funktioniert, im allgemeinen.
Im Schweizer Blog
InsideParadeplatz befasst sich der Autor Dr. Marc Meyer leidenschaftlich (um nicht zu sagen fanatisch) mit der Schweizer Notenbank (SNB). Er behauptet, dass die Verantwortlichen der SNB vollkommen inkompetent sind; dass sie die Schweizer Bürger belügen; und dass das Armageddon für die Schweizer Volkswirtschaft, ausgelöst von der SNB, in Kürze stattfinden wird. Sein besonderer
'Feind' ist Prof. Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der SNB, der im November 2011 in Basel eine Rede zum Thema
Braucht die Schweizer Nationalbank Eigenkapital? hielt. Dr. Meyer fordert Prof. Jordan auf, aus Anstand seinen Posten zu räumen, weil er mit seiner Rede bewiesen hat, dass er völlig inkompetent (oder sogar betrügerisch) ist.
Um Dr. Meyer besser zu verstehen, sollte man zuerst nachstehende Artikel von ihm lesen (auch die Kommentare!):
Unsere Nationalbank - jenseits der Beresina
Die SNB und das Märchen der Geldschöpfung
Unsere Nationalbank ist Volksverführern hörig
SNB ist Insolvenz einen Schritt näher
Ich habe wiederholt mit Dr. Meyer
'die Klingen getauscht', er ist jedoch nicht in der Lage, Meinungen von anderen nachvollziehen zu können. Sein letzter Artikel heißt
Vollgeld-Initiative - Lachnummer mit Emil. Obwohl dieser Artikel nicht direkt mit der SNB zu tun hat, gab es in den Kommentaren wieder eine vehemente Auseinandersetzung zum Thema SNB. Mein letzter Versuch, Herrn Dr. Meyer eine alternative Sicht einer Notenbank näher zu bringen, ist unten wiedergegeben. Bitte zu beachten, dass diese Auseinandersetzung nicht nur für Spezialisten relevant ist, sondern auch für alle jene, die besser verstehen wollen, wie eine Notenbank à la Fed, EZB oder SNB funktioniert.
"Sehr geehrter
Herr Dr. Meyer,
sofern Sie
auf meine Argumentation eingehen wollen, ersuche ich Sie, sich auf die Nummerierung
zu beziehen.
1) Sie
interpretieren etwas in Jordan’s Rede hinein, was dort so nicht steht. Jordan
verwechselt nirgendwo Fremdkapital mit Eigenkapital. Stattdessen sagt Jordan,
dass die SNB mit aus dem Nichts geschöpften (und de facto kostenlosem) Geld
zinstragende Aktiva aufbauen kann und dass auf diese Weise in Zukunft Ertrag,
Profit und Eigenkapital für die SNB geschaffen werden (nicht auf der Stelle;
nur im Ablauf der Zeit). Ich habe übrigens nicht behauptet, dass Ihre
Argumentation irrwitzig ist. Irrwitzig ist Ihre Behauptung, dass Jordan gesagt
habe, dass man mit Gelddrucken Eigenkapital quasi auf der Stelle schaffen kann.
Das hat er natürlich nicht gesagt.
2) Ja, die
SNB kann CHF aus dem Nichts schaffen; die doppelte Buchhaltung belegt es. Der
Gegenposten auf der Aktivseite heißt nicht „Geld aus dem Nichts“, sondern es
sind erhöhte financial assets (Wertpapiere, Kredite an Banken, Devisenreserven,
etc.).
3) Ich
fürchte, Sie können sich einfach nicht von Ihrer (falschen) Überzeugung lösen,
dass eine Notenbank genauso funktioniert/bilanziert wie eine normale Bank.
Diesen Denkfehler habe ich bis vor ein paar Jahren auch gemacht. Im Unterschied
zu Ihnen habe ich meinen Denkfehler eingesehen.
4) Eine
Notenbank (auch die SNB) schafft Liquidität nicht für sich selbst; sie schafft
sie für die Banken. Und sie macht das via Erhöhung/Reduzierung ihrer
Bilanzsumme. Axel Weber hat einmal argumentiert, dass die Bilanzsumme einer
Notenbank in normalen Zeiten um die 10% des GDP sein sollte und in schwierigen
Zeiten bis zu 30% steigen könnte (ich kann das nicht beurteilen). Dass die
Bilanzsumme der SNB schon ca. 80% des Schweizer GDP ausmacht, gibt natürlich Anlass
zum Nachdenken.
5) Eine
Erhöhung der Bilanzsumme bedeutet per definitionem eine Erhöhung der Aktiva UND
der Passiva. Auch das ist doppelte Buchhaltung. Sie verwenden den Ausdruck
‚Schulden‘; Sie sollten jedoch erkennen, dass Notenbankschulden Liquidität/Vermögenswerte
im Markt sind. Größtenteils macht eine Notenbank die Bilanzsummenerhöhung mit
gedrucktem Geld (Schulden, wenn Sie so wollen). Sie kann jedoch auch ihr
Eigenkapital erhöhen und das beschreibt Jordan folgendermaßen: „Zum
Wiederaufbau von Eigenkapital braucht es – nicht anders als bei privaten
Unternehmen – Gewinne. Denn mit Gelddrucken kann Eigenkapital, wie gesagt,
nicht nachhaltig aufgestockt werden. Die Geldschöpfung erlaubt lediglich, den
Zahlungsverpflichtungen vollständig nachzukommen“. Haben Sie diesen Satz
übersehen? Es ist ein Schlüsselsatz!
6) Sie sagen
– richtigerweise –, dass die SNB keine CHF-Wertpapiere hat, bestätigen jedoch
damit, dass Sie meine Argumentation nicht nachvollzogen haben. Ich behaupte,
dass eine Notenbank IN IHRER LANDESWÄHRUNG nicht illiquide werden kann, weil
sie eben die Landeswährung drucken kann (Erhöhung Bilanzsumme). Ich habe
absichtlich die Fremdwährungen abseits gelassen, weil in Fremdwährung eine
Notenbank sehr wohl illiquide werden kann (weil sie eben diese Fremdwährung
nicht drucken kann). Trotzdem gilt meine Argumentation auch für die
Devisenpositionen der SNB: die SNB kauft(e) die Devisen mit gedruckten CHF,
erhöhte dadurch Aktiva/Passiva (Bilanzsumme), allerdings mit Devisen auf der
Aktivseite und CHF auf der Passivseite. Anders ausgedrückt: die SNB baute eine
furchterregende long position Fremdwährung/CHF auf. Jede long/short position
ist einem Bewertungs- und/oder Verlustrisiko ausgesetzt.
7) Jordan
SAGT NICHT, dass die SNB mit Geldschöpfung CHF-Zahlungsverpflichtungen
‚abbauen‘ kann. Stattdessen sagt er, dass die SNB dadurch ‚ihren
Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann‘. Den Unterschied zwischen diesen
beiden Aussagen brauche ich wohl nicht zu erklären. Wollte oder müsste die SNB
ihre Schulden/Verbindlichkeiten abbauen, dann müsste sie die Bilanzsumme
reduzieren, d. h. Aktiva verwerten. Dann würde sie dem Markt CHF-Liquidität
entziehen.
8) Wenn ein
Anleger über Nacht 10 Mrd.CHF von einer kleineren Kantonalbank abzieht und zur
UBS überweist, könnte die Kantonalbank illiquide werden. Wenn ein SNB-Anleger
auf der Stelle 100 Mrd.CHF von der SNB abzieht, was macht er dann mit diesen
CHF? CHF können letztendlich nur auf einem Schweizer Bankkonto liegen. Die SNB
belastet das Konto von Bank A und erkennt das Konto von Bank B. Wir wären
wieder bei der doppelten Buchhaltung.
9) Aus dem
gleichen Grund kann die EZB in Euro nie illiquide werden.
10) Die EZB
könnte insolvent werden? Insolvenz tritt ein, wenn die Passiva die Aktiva
übersteigen. Es sei denn, diese Regel gilt nicht. Bei der EZB gilt sie nicht,
weil Sie nirgendwo in den EZB-Statuten einen Passus finden werden, der ein
positives Eigenkapital verlangt.
11) Wie ich
schon oft erwähnt habe, ist das bei der SNB etwas anders, weil die SNB nicht
wie eine normale Notenbank à la Fed oder EZB strukturiert ist. Jordan umschifft
diesen Punkt geschickt in seiner Rede. Sie gehen nicht einmal darauf ein. Meine
Meinung? Ich glaube nicht, dass die SNB einfach so ein negatives Eigenkapital
fahren könnte (wegen des SNB-Gesetzes). Sie müsste wohl wieder eine
Bundeshaftung bekommen.
12) Ihre (a)
– (e) Punkte, mit denen sie meine Überlegungsfehler nachweisen wollen, sind
einfach falsch.
13) Dass
gedruckte CHF auf der Passiv- und nicht auf der Aktivseite der SNB Bilanz sind,
habe ich wohl schon mehr als umfassend dargestellt. Auf der Aktivseite sind die
Vermögenswerte, die die SNB mit dem gedruckten Geld kauft
(Bilanzsummenerhöhung; Erhöhung CHF-Liquidität im Markt).
14) Sie
faszinieren sich mit der Behauptung, dass Passiva der SNB Schulden der SNB
sind. Na ja, dass Verbindlichkeiten keine Vermögenswerte sind, ist wohl keine
große Überraschung!
15) Aber was
sind Schulden einer Notenbank? Sie sind nichts Anderes als Aktiva jener Banken,
die die Forderungen an die SNB haben. Sie haben einmal behauptet, dass die
Schweizer Wirtschaft die Devisenkäufe der SNB finanziert. Wenn die SNB Devisen
kauft, dann bezahlt sie dafür mit gedruckten CHF; d. h. sie bringt
CHF-Liquidität in den Markt (sie erhöht ihre Bilanzsumme). SIE ZIEHT KEINE
LIQUIDITÄT AUS DEM MARKT AB! (Letzteres passiert dann, wenn die SNB ihre
Bilanzsumme reduziert).
16) Der
Steuerzahler wird NIE für die Schulden der SNB haften müssen. Diesen Schulden
stehen Vermögenswerte auf der Aktivseite gegenüber. Der Steuerzahler KÖNNTE
EINMAL für ein negatives Eigenkapital haften müssen, wenn der Bund Eigenkapital
nachschießen müsste. Normalerweise sind die einzigen Kosten für den
Steuerzahler die Opportunitätskosten, dass er von der SNB – bei negativem
Eigenkapital – keine Ausschüttung bekommt.
17) Übrigens,
per 2012 war das Eigenkapital der SNB in der Tat – wie ich gesagt habe – 10 Mrd.CHF. Sie rechnen die Rückstellungen
für Währungsrisiken dem Eigenkapital zu und das ist falsch. Rückstellungen sind
Verbindlichkeiten und werden aus den Erträgen gebildet. Sie dienen dazu, den
net profit vor Währungsverlusten zu schützen. Es sind die Rücklagen, welche
Eigenkapital sind und sie werden aus dem net profit gebildet.
18) Kurz und
gut: ich meine, dass die Rede von Jordan hieb- und stichfest ist. Das, was Sie
an Jordan kritisieren, ist nicht, was er gesagt hat, sondern was sie in seine
Aussagen – fälschlicherweise – hineininterpretieren und/oder was Sie –
fälschlicherweise – behaupten, dass er gesagt habe.
19) Nochmal:
eine Notenbank steuert die Liquidität, die sie für das System schöpft, durch
eine Erhöhung/Reduzierung ihrer Bilanzsumme (das erfordert die doppelte
Buchhaltung). Bestes Beispiel dafür ist die Fed mit ihrem QE. Es gibt keinen
Aktivposten mit dem Namen „Geld aus dem Nichts“. Stattdessen stehen auf der
Aktivseite einer Notenbank i.d.R. Finanzanlagen, Kredite an Banken,
Devisenreserven, etc. als Gegenbuchung für gedrucktes Geld. Die Bilanzsumme
auszuweiten, ist für eine Notenbank relativ einfach. Es ist die Reduzierung der
Bilanzsumme, wo es schwierig wird (siehe Fed mit tapering)".