Ich bin seit 1-1/2 Jahren zum ersten Mal wieder in Griechenland und muß staunen – ich habe ein anderes Land vorgefunden als jenes, das ich im Dezember 2019 verlassen hatte. Auf den Punkt gebracht: Griechenland boomt!
Alexis Tsipras – ungeachtet des Chaos, das er vielerorts verursacht hat – hat zwei große Taten vollbracht. Erstens, nach dem (selbst verursachten) fast-Zusammenbruch Mitte 2015 hat er alles unterschrieben, was ihm die Troika vorgelegt hat. Das waren teilweise brutale Vorgaben, die ein Nicht-Linker nie hätte umsetzen können.
In Summe haben sich aber diese brutalen Maßnahmen vorteilhaft ausgewirkt und Griechenland ist heute wettbewerbsstärker als vor 5 Jahren. Und zweitens – und das ist heute von besonderer Bedeutung – Tsipras hat sich geweigert, ein Folgeabkommen mit der Troika für einen back-up Finanzierungsrahmen für die Zeit nach dem Sanierungsprogramm zu unterschreiben. Stattdessen entschied er sich für die Option von Cash Reserven und die Troika stellte als Mitgift 15 Mrd.EUR zur Verfügung.
Seither hat der Staat nach dem Motto „Schulden soll man dann aufnehmen, wenn man das Geld nicht braucht“ agiert. Er sitzt heute auf Cash Reserven von über 40 Mrd.EUR (alles mit Neuschulden finanziert) und vom EU Wiederaufbaufonds sollen in den nächsten Jahren weitere 30 Mrd. dazu kommen. Nachdem größere Tilgungen der Staatsschulden erst Anfang der 2030er Jahre wieder beginnen, ist Griechenland für die nächsten 10+ Jahre vollkommen überfinanziert und es kann zu keinen Zahlungsschwierigkeiten kommen. Premier Mitsotakis hat diese Cash Polster Politik sogar noch verstärkt: alleine im letzten Jahr stiegen die Auslandsschulden um 50 Mrd.EUR auf 500 Mrd.EUR!
Die Rating Agenturen überlegen sich angeblich, Griechenland auf Investment Grade hochzustufen. Das ist insofern interessant, weil Griechenland heute wesentlich schlechtere Eckdaten hat als noch vor 5 Jahren: die Verschuldungsquote ist auf über 200% gestiegen, das Budget (vor Corona sogar positiv) ist mittlerweile tief defizitär. Und die Leistungsbilanz, die vor 5 Jahren fast ausgeglichen war, hatte 2020 ein Defizit von 11 Mrd.EUR und dieses Defizit wird heuer sicherlich noch größer ausfallen. Als Griechenland 2010 den Sudden Stop erlebte, waren die Ziffern auch nicht schlechter.
Faktum ist jedoch, dass in den nächsten Jahren in Griechenland Geld fließen wird wie in den besten Jahren der Euro-Party. Die Euro-Party führte in den Zusammenbruch, weil das Geld unvernünftig verwendet wurde. Die Optimisten meinen, dass sich das diesmal nicht wiederholen wird, alleine schon wegen der Supervision der EU. Wir werden sehen.
Faktum ist auch, dass Griechenland seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder eine Regierung hat, in der zumindest eine gewisse Anzahl von kompetenten Leuten sitzt. Herausragender Superstar ist für mich Kyriakos Pierrakakis, der u. a. für die Digitalisierung verantwortlich ist.
Der Mann ist ein Zauberer. Was der in der kurzen Amtszeit bereits vollbracht hat, wäre für Österreich beispielhaft. Kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, dass der öffentliche Sektor seit seinem Amtsantritt durch Digitalisierung 23 Millionen Arbeitsstunden eingespart hat. Dahinter steht sicherlich eine Portion Propaganda, aber es gibt auch Fakten. Mein Nachbar schwärmt davon, dass er nicht mehr zu Ämtern gehen muß, um Sachen zu erledigen. Obwohl er nicht besonders IT-affin ist, schafft er alles am Computer. Das Projekt eines flächendeckenden Grundbuchs (ursprünglich von König Otto und seinen 3.000 bayerischen Beamten in den 1830er Jahren gestartet) soll demnächst zum Abschluß kommen und es wird digital sein. Hier ist ein kurzes Video über das Programm des Kyriakos Pierrakakis.
Wunder werden sicherlich keine geschehen. Der tägliche Alltag der Griechen mit all seiner Korruption und Steuerhinterziehung wird wohl genauso weiterleben wie der Pfusch am Bau in Österreich. Aber dort, worauf es ankommt (d. h. auf der oberen Ebene von Staatsverwaltung, Politik, Unternehmensgestion, etc.) sollte sich schon viel in eine positive Richtung verändern. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass hier ein positiver Feedback Loop entsteht und besonders könnte ich mir vorstellen, dass ausländische Investoren relativ bald sehr großes Interesse an Griechenland zeigen werden. Und mit Auslandsinvestoren kommt ja nicht nur Geld, sondern – und vor allem – Know-How.
Alles würde dafür sprechen, in griechische Bankaktien zu investieren. Der Tsunami des Cash Flows wird ja über das Bankensystem fließen und dort werden die Geschäfte blühen. Hier wird allerdings auch die Achillessehne sein. Es wird um die Mittelverwendung gehen und dass bei den Griechen plötzlich überall ökonomische Vernunft eingesetzt hat – na ja, I’ll believe it when I see it.
Originalveröffentlichung hier.
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