Mittwoch, 9. Dezember 2015

Österreich Am Absteigenden Ast?

Eine präzise Zusammenfassung der aktuellen Situation in Österreich: 

"Fast eine halbe Million Arbeitslose, der höchste Wert seit Menschengedenken, allein die jüngste Zielpunkt-Pleite mit 3.000 zusätzlichen verlorenen Jobs; ein viel zu geringes Wirtschaftswachstum; ein nach wie vor nur mit fünf Milliarden neuer Schulden darstellbarer Staatshaushalt; eine der höchsten Steuer-und Abgabenquoten Europas; ein Abstieg des Landes in allen verfügbaren ökonomischen Statistiken von Spitzenplätzen in Richtung unten; ein stetige Verschlechterung der Kreditwürdigkeit des Landes; die Abwanderung von besonders gut Qualifizierten ins Ausland, der Zuzug von wenig bis schlecht Qualifizierten Menschen; die nach wie vor nicht wirklich nachhaltig abgesicherten Pensionssysteme – es sind ganz schön viele Lecks, durch die da Wasser in den Rumpf der „MS Austria“ eindringt." (Original hier).

Nicht erwähnt ist hier, dass die politische Situation Österreichs sehr stark an Griechenland während der Ägide von PASOK und Nea Demokratia erinnert!

Montag, 7. Dezember 2015

A Pledge Of Allegiance

Wer schon einmal längere Zeit in den USA verbracht hat, wird nicht darum herumgekommen sein, zumindest einmal den Pledge of Allegiance miterlebt zu haben. Dieser Pledge of Allegiance ist eine Art Treue-Gelöbnis gegenüber der Nation und der Flagge der Vereinigten Staaten, das üblicherweise gemeinsam und einstimmig bei öffentlichen Veranstaltungen geleistet wird. Vor allem in öffentlichen Schulen ist dieses Treue-Gelöbnis oft Bestandteil des gemeinsamen Morgenrituals.

In Wien gibt es derzeit angeblich rund 150 islamische Kindergärten und 450 Kindergruppen. Eine kürzlich vom österreichischen Integrationsministerium in Auftrag gegebene Studie sorgt nun insofern für Aufregegung, dass in diesen Einrichtungen - finanziert mit Steuergeld - möglicherweise das Gegenteil von Integration betrieben wird. Die Studie wurde vom Institut für Islamische Studien der Universität Wien durchgeführt. Der Studienautor, Univ.-Prof. Ednand Asland, fasst die Studie folgendermaßen zusammen: "Da werden Erziehungsmethoden praktiziert, die die dortigen Kinder vor unserer - europäischen - Gesellschaft schützen wollen, weil sie Werte in Österreich, die Art wie man hier lebt, und auch das Frauenbild ablehnen".

Dem amerikanischen Vorbild folgend, könnte man sich überlegen, folgende Übersetzung des Pledge of Allegiance in solchen Kindergärten und/oder -gruppen einzuführen:

„Ich schwöre Treue auf die österreichische Fahne und die Republik, für die sie steht, eine Nation unter Gott, unteilbar, mit Freiheit und Gerechtigkeit für jeden!"

Der amerikanische Pledge of Allegiance ist mittlerweile 125 Jahre alt und hat mehrere Verfassungsklagen überlebt (z. B. wegen des Zusatzes "unter Gott"). Es wäre ein interessanter Test unserer vielgerühmten Toleranz, ob man die Einführung eines solchen Treue-Gelöbnisses überhaupt tolerieren würde.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Tu Felix Austria!

The State of Bavaria (a federal state of the Federal Republic of Germany) is about to declare its own war on the Republic of Austria. Their claim is that Austria is playing a foul game when it comes to refugees. In Bavaria's view, Austria plays 'white knight' when it comes to allowing refugees into Austria. But then Austria turns around and puts all those refugees on buses to deliver them at all sorts of places near the Bavarian/German border. Oftentimes with charts showing the best way to enter Germany across the 'green border'. And Austria does not deny that.

Last evening, the Bavarian Minister of the Interior was confronted with the Head of the Police of the city of Linz, Austria. To put things into perspective: Bavaria is about the same size as Austria and its population is about 50% larger than Austria's. If the Minister of the Interior of Bavaria is talking to the Head of Police of Linz, it is like if he were talking to the Head of Police of Augsburg.

The Bavarian Minister of the Interior let off steam. It was simply unacceptable, he claimed, that the Republic of Austria would hire buses to unload - without coordination with the German side - thousands of refugees near the Bavarian/German border every day and basically show them the way to Germany.

The response of the Head of Police of Linz was interesting. He said: "Germany extended an invitation to all those refugees and we are only making it possible that they get to Germany".

Well, hard to deal with that argument. Unless, of course, one knew how to deal with Austrian "Bauernschläue".

Montag, 22. Juni 2015

Griechische Staatsschulden - Illegal, Illegitim und Odious?

Im April dieses Jahres gründete das griechische Parlament einen Untersuchungsausschuss mit dem Namen Truth Committee on Public Debt. Aufgabe des Ausschusses war, die Entstehung und Entwicklung der griechischen Staatsschulden seit 1980 in Hinblick auf mögliche Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Konkret ging es darum, festzustellen, welcher Teil dieser Schulden als illegal, illegitim oder als Odious Debt einzustufen ist. In seinem vorläufigen Bericht kommt nun der Ausschuss zu folgenden Schlussfolgerungen:

Schulden gegenüber dem IWF: sind als illegal einzustufen, weil ihre Gewährung die Statuten des IWF verletzt hat. Sie sind auch illegitim, weil sie Bedingungen voraussetzten, deren Umsetzung Menschenrechtverletzungen zur Folge hatten. Und abschließend sind sie auch odious, weil dem IWF bewusst war, dass die vorgegeben Maßnahmen undemokratisch und unwirksam sein würden und dass sie zu ernsthaften sozial-ökonomischen Verwerfungen führen würden.

Schulden gegenüber der EZB: sind als illegal einzustufen, weil die EZB durch ihre Teilnahme an der Troika ihr Mandat überschritten hat. Gleichzeitig sind diese Schulden illegitim und odious, weil ihr Hauptzweck es war, europäische Banken vom griechischen Risiko zu befreien.

Schulden gegenüber dem ESFS: sind als illegal einzustufen, weil sie Artikel 122(2) des Treaty on the Functioning of the European Union verletzen und weil sie mehrere sozial-ökonomische Rechte und bürgerliche Freiheiten verletzen. Außerdem verhält sich der EFSF anti-demokratisch, sodass diese Schulden auch illegitim und odious sind.

Bilaterale Schulden gegenüber EU Staaten: sind als illegal einzustufen, weil sie die griechische Verfassung verletzen. Diesen Schulden lag klares Fehlverhalten der Gläubiger zu Grunde. EU und Internationales Recht wurden verletzt, um das Thema Menschenrechte bei den ökonomischen Programmen auszuklammern. Diese Schulden sind auch illegitim, weil sie nicht zum Nutzen der griechischen Bevölkerung im Allgemeinen verwendet wurden, sondern lediglich dem Bail-Out privater Gläubiger. Außerdem sind sie odious, weil die Gläubiger Länder und die Europäische Kommission wussten, dass die Umsetzung der Auflagen zu Menschenrechtsverletzungen führen würde.

Schulden gegenüber privaten Gläubigern: sind als illegal einzustufen, weil sich die Gläubiger unverantwortlich verhalten und mangelhafte Risikoprüfung durchgeführt haben. Bei Hedge Fonds ist hinzuzufügen, dass sie mit böser Absicht agiert haben. Aus den gleichen Gründen sind diese Schulden auch illegitim. Außerdem sind sie odious, weil den Gläubigern bewusst war, dass diese Schulden nicht für das Wohl der griechischen Bevölkerung, sondern nur für ihr eigenes Interesse bestimmt waren.

Somit verbleiben keine Schulden, die der Ausschuss nicht als illegal, illegitim oder odious einstuft. Der Ausschuss kommt zum Ergebnis, dass die juristischen Voraussetzungen für eine Nichtanerkennung der griechischen Staatsschulden gegeben sind und empfiehlt der Regierung, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.

Mittwoch, 3. Juni 2015

Eine Mögliche Lösung Für Griechenland?

Es ist an der Zeit, dass man aufgibt, von Griechenland Reformen zu verlangen. Ganz offensichtlich führt das zu (fast) nichts. Stattdessen sollte man Griechenland beim Wort nehmen und der Regierung ihre Wünsche/Forderungen erfüllen.Die Tsipras Regierung hat einige Punkte ganz deutlich und verbindlich ausgesprochen: (a) sie möchte von öffentlichen Gläubigern keine neuen Schulden aufnehmen, um bei diesen Gläubigern fällig werdende Schulden zu bezahlen; (b) sie möchte den Schuldendienst (Zinsaufwand) reduzieren bzw. minimieren (vorzugsweise auf null); und (c) sie verspricht ihren Bürgern, NIE WIEDER Kredite aufzunehmen, um Primärausgaben zu finanzieren (Finanzminister Varoufakis hat wiederholt garantiert, dass Griechenland NIE WIEDER ein Primärdefizit verzeichnen wird). Außerdem hat die Regierung von den Institutionen verlangt, den verlangten Primärüberschuss von 3-4% des GDP auf 1,5% zu reduzieren.

Diese Wünsche sind relativ einfach erfüllbar. Von den gesamten Staatsschulden Griechenlands (313 Mrd.EUR per Ende März) sind rund 280 Mrd.EUR bei den öffentlichen Gläubigern (ESM, EZB, IMF und einzelne Staaten). Diese 280 Mrd.EUR sollte man auf 30-50 Jahre endfällig umschulden, d. h. keine Tilgungen in der Zwischenzeit.

1,5% des GDP – d. h. jener Betrag, den Griechenland bereit ist, für den Schuldendienst (Zinsen) aufzuwenden – entsprechen auf Basis der Ziffern für 2014 genau 5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen des Staates (vor Privatisierungserlösen). Das wären 2014 ca. 2,7 Mrd.EUR gewesen, also ausreichend, um die privaten Gläubiger zu bedienen und einen kleinen Betrag für die öffentlichen Gläubiger bereitzustellen (d. h. minimale Zinsen für die öffentlichen Gläubiger).

Man sollte Griechenland verpflichten, auf Dauer 5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen für den Zinsaufwand bereitzustellen, d. h. genau jenen Betrag, den sie gefordert hat. In dem Maße, indem die Steuereinnahmen steigen (was angesichts der von der Regierung angekündigten Maßnahmen bald der Fall sein wird), werden auch die Zinserträge für die offiziellen Gläubiger steigen.

Damit wären alle Wünsche Griechenlands voll befriedigt: keine Tilgungen bei öffentlichen Kreditgebern für die nächsten 30-50 Jahre; anfangs nur minimale Zinszahlung (nahezu null); und ein Zinsaufwand, der bei 5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen eingefroren wird (d. h. 1,5% des GDP). Die öffentlichen Gläubiger könnten sogar freiwillig einen Schritt weitergehen und den Zinsauswand während der ersten 5 Jahre thesaurieren, d. h. dem Kreditkapital hinzuschreiben.

Welche Auflagen sollten die öffentlichen Gläubiger machen? Keine Reformen, keine Gehalts- und Pensionskürzungen, keine Privatisierungen! Nur eine einzige Auflage wäre erforderlich: KEINE NEUEN STAATSSCHULDEN VON WEM AUCH IMMER OHNE DIE EXPLIZITE BEWILLIGUNG DER INSTITUTIONEN!

Auch für die öffentlichen Gläubiger wäre das ein gutes Geschäft. Mit Kapitalrückzahlungen wäre in den nächsten Jahrzehnten ohnehin nicht zu rechnen, aber ein Schuldenverzicht, der die Steuerzahler hart treffen würde, wäre vermieden. Die reduzierten Zinserträge (selbst null-Zinsen) wären in der derzeitigen Zinsenlandschaft in den nationalen Budgets kaum spürbar. Und – man müsste kein gutes Geld mehr dem schlechten nachschicken.

Griechenland wäre allerdings jetzt unter Leistungsdruck. Sollten die Netto-Steuereinnahmen nicht die Primärausgaben decken (nach Abzug der 5,5% Zinsen), dann gäbe es keine neuen Kredite mehr. Vielmehr müsste Griechenland jene Reformen machen, die laut der Regierung sehr wirksam sein werden. Sollten diese Reformen nicht greifen, dann müsste die Regierung aus eigener Initiative (und nicht wegen des Drucks der Institutionen) die Primärausgaben reduzieren.

Kurz und gut: Griechenland hätte seinen größten Wunsch erfüllt: es wäre finanziell wieder mehr oder weniger souverän. Und die öffentlichen Gläubiger hätten den großen Vorteil, argumentieren zu können, dass sie Griechenland alle seine Wünsche/Forderungen erfüllt haben. Sollte das immer noch nicht reichen, damit der griechische Staat finanziell über die Runden kommt, dann würde das eindeutig an Griechenland selbst liegen.

Originalveröffentlichung hier.

Samstag, 31. Januar 2015

Die Smarte Strategie Des Neuen Griechischen Finanzministers

Ich bin mit Prof. Varoufakis seit rund 4 Jahren bekannt. Der Kontakt entstand dadurch, dass ich seinen Blog verfolgte und kommentierte und umgekehrt er meinen Blog. In vielen Punkten vertreten wir gegensätzliche Standpunkte und wir haben auch öfters die Klingen ganz ordentlich gekreuzt. Seit ca. 1 Jahr hat sich jedoch so etwas wie gegenseitige Akzeptanz und Respekt entwickelt. Die Kommunikation intensivierte sich und wurde sogar sehr persönlich und privat. Varoufakis ersuchte mich um aktive Rückmeldungen, weil das für ihn so etwas wie ein Spiegel sei, den er auch brauchte. Am Tag vor der Wahl feuerte ich ein Kritik-Mail an ihn ab mit der Einleitung: „Ich hoffe, dass wir auch nach diesem Mail noch befreundet sein werden!“ Er antwortete sofort mit Dank für dieses offene Feedback bzw. für meine Warnungen. Er lud mich sogar ein, nach Athen zu kommen.

Seit Wochen rate ich jenen wenigen Kontakten in der Hochfinanz, die ich heute als Pensionist noch habe, dass sie alles durchlesen sollten, was Varoufakis seit 2010 geschrieben hat. Ansonsten könnte es ihnen so gehen, wie Finanzminister Pröll & Co., als die Bayern mit einer professionell vorbereiteten Mannschaft antraten.

Viele geben sich jetzt überrascht, wenn nicht sogar entsetzt ob des aggressiven Auftretens von Varoufakis. Gestern hat er der Troika gekündigt und die EU wissen lassen, dass Griechenland gar keine neuen Kredite mehr haben will. „We don’t want the 7 billion!“ sagte er der NYT. An diesem Vorgehen ist absolut nichts überraschend, weil Varoufakis schon seit Jahren diese seine Strategie erklärt hat.

Varoufakis hat schon 2010 den großen Irrtum erkannt, dem die EU damals unterlag und auch heute noch unterliegt, nämlich: dass es nur 2 Alternativen gibt. Einerseits ein Griechenland mit dem Euro und mit Eurospielregeln und andererseits ein Griechenland, das sich nicht an die Eurospielregeln halten will und daher zur Drachme zurückkehren muss. Das ist wahrscheinlich der teuerste Irrtum in der Finanzgeschichte, genauso wie verschiedene Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel („Fällt Griechenland, dann fällt der Euro und fällt der Euro, dann fällt die EU“; oder „Die Rettungskredite für Griechenland sind alternativlos“) für die Steuerzahler noch sehr teuer sein werden.

Der ‚dritte Weg‘ ist, dass Griechenland seine Zahlungsunfähigkeit erklärt (Default), aber den Euro beibehält. Man hat komplett übersehen, dass es in der Eurozone nicht verboten ist, Zahlungsunfähigkeit anzumelden. Wenn Firmen Pleite gehen, dann verschwinden sie. Ein Land kann nicht verschwinden.

Die herkömmliche Version ist, dass Griechenland im Falle eines Defaults komplett zusammenbrechen würde beginnend mit dem Bankensektor, der von der EZB nicht weiter finanziert werden würde. Der Staat könnte seine Rechnungen nicht mehr bezahlen und müsste eine neue Landeswährung drucken. Wer so denkt, hat sich Griechenlands Ziffern in letzter Zeit nicht angesehen.

Ende November 2014 verzeichnete Griechenland einen Primärüberschuss für die ersten 11 Monate von 3,9 Mrd. Für das ganze Jahr waren über 4 Mrd. erwartet worden. Unter Primärüberschuss versteht man den Überschuss an Steuereinnahmen, die verbleiben, nachdem der Staat alle seine Rechnungen bezahlt hat (außer Zinsen). Anders ausgedrückt, bis Ende November schwamm der griechische Staat buchstäblich in Geld vor Zinszahlungen. Die Austeritätspolitik hat gut funktioniert! Auch für 2015 ist ein Primärüberschuss budgetiert. Sollte also Griechenland seine Zahlungsunfähigkeit erklären, hätte der Staat – ceteris paribus – trotzdem keine Probleme, seine Rechnungen zu bezahlen. Die Betonung liegt auf ‚ceteris paribus‘.

Varoufakis geht also von einem relativ hohen finanziellen Sicherheitspolster aus. Diesen wird er jedoch noch erhöhen, indem Löhne und Pensionen top-down leicht reduziert werden (d. h. nur die Besserverdiener werden belastet) und außerdem möchte er auch noch Steueranleihen bei griechischen Sparern platzieren. Sollte das alles gelingen, dann wäre Griechenland für die überschaubare Zukunft ausfinanziert. Die Strategie klingt überzeugend und unterstreicht, dass Varoufakis ein weltweit anerkannter Experte auf dem Gebiet der Game Theory ist.

Leider gibt es da für Varoufakis eine ganz winzige Kleinigkeit, die in die Kategorie ‚ceteris paribus‘ fällt. Als sich im Dezember abzeichnete, dass es zu Neuwahlen kommen würde, haben viele Griechen aufgehört, ihre Steuern zu bezahlen. Warum sollten sie schon Steuern zahlen, wenn Alexis Tsipras sie ohnehin abschaffen würde? Zusammen mit einigen anderen Faktoren hatte dies zur Folge, dass es im Dezember im Primärsaldo plötzlich ein Minus von 2,1 Mrd. gab (!). Nachdem der Jänner grundsätzlich kein guter Monat für Steuereinnahmen ist und nachdem die Steuereinnahmen weiterhin sanken, ist derzeit absolut nicht einzuschätzen, wie sich der Primärsaldo heuer entwickeln wird. Außerdem kommt zu den budgetierten Ausgaben noch das angekündigte Sofortprogramm für humanitäre Maßnahmen hinzu, das laut SYRIZA insgesamt 11 Mrd. kosten wird. Gegenfinanziert sollen diese Kosten mit neuen Steuereinnahmen von 12 Mrd. werden, die von Steuerhinterziehern, Schmugglern und sonstigen Parasiten Griechenlands kommen sollen. Ob diese neuen Einnahmen so schnell kommen werden wie die neuen Ausgaben, ist fraglich.

Das derzeitige Troika-Programm läuft mit 28. Februar aus und Varoufakis hat schon angekündigt, dass Griechenland keine Verlängerung beantragen wird. Sollte die EZB ihre eindeutigen Aussagen/Warnungen der letzten Wochen einhalten, dann wird der griechische Bankensektor am 1. März illiquide sein. Varoufakis sieht das entspannt. Als Experte der Game Theory ist er überzeugt, dass die EZB ihre Refinanzierung aufrecht halten wird.

Was kann da eigentlich noch schiefgehen mit der Strategie von Varoufakis? In Wirklichkeit gibt es da nur eine große Unbekannte, die das ganze (Karten-) Haus zum Einsturz bringen könnte und das sind die griechischen Sparer. Solange die griechischen Sparer durchhalten und solange kein Bankenrun entsteht, hat Varoufakis gute Karten, zumindest um sehr harte Verhandlungen über einen längeren Zeitraum zu führen. Und hart werden die Verhandlungen mit Sicherheit werden. Varoufakis hat bereits angekündigt: „Bei diesen Verhandlungen wird man nur erfolgreich sein können, wenn man bereit ist, das ganze Haus zum Einsturz zu bringen. Wir sind dazu bereit!“

Originalveröffentlichung hier.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Bundespräsident Heinz Fischer - Stunde der Historischen Wahrheit

BP Heinz Fischer ist nicht bekannt dafür, ein Anhänger von klaren und eindeutigen Aussagen zu sein. Umso mehr überraschen seine Aussagen in der gestrigen ZIB-2 anläßlich des 70-jährigen Gedenktages an Ausschwitz. Fischer im Originalton: 

"Der große Unterschied zwischen Deutschland und Österreich ist, dass es in Deutschland von allem Anfang an klar war, dass es eine Täterverantwortung hat, während Österreich lange Zeit versucht hat, sich als das erste Opfer darzustellen. Was für einzelne Menschen in Österreich, die im Widerstand waren, die flüchten mussten, sicher zugetroffen hat. Aber die zweite und größere Hälfte der Wahrheit ist, dass Österreich eben nicht primär nur Opfer, sondern auch Täter war. Dass der Jubel, den es 1938, 1939, 1940 gegeben hat, erstens eine Schande ist und zweitens nicht ungeschehen gemacht werden kann. Ich glaube es stimmt, was auch manche Schriftsteller und Intellektuelle berichtet haben, dass der Anti-Semitismus in Wien zeitweise bösartiger, gehässiger war als zum Beispiel in Berlin. Da gibt es viele Zeugen für dieses Phänomen und vielleicht liegt das daran, dass die Zuwanderung nach Wien einerseits und die lange Geschichte des Anti-Semitismus in Österreich, auch im katholischen Österreich, die Verhältnisse zugespitzt haben, während die Preußen – könnte man sagen – dem Anti-Semitismus kühler gegenüber gestanden sind".

Mir ist nicht bekannt, dass irgendein österreichischer Politiker der Nachkriegszeit jemals eine so deutliche (und historisch wahre!) Aussage zur Verantwortung Österreich gemacht hat. Franz Vranitzky hatte als Bundeskanzler einmal eine Rede gehalten, der man bei gutem Willen entnehmen konnte, dass sich dahinter möglicherweis ein Ausdruck der Mitverantwortung befand. Ansonsten scheint jedoch die Mehrheit der Österreicher fröhlich damit zu leben, dass Österreich "das erste Opfer des Nationalsozialismus" gewesen war.

Großer Respekt für BP Heinz Fischer!

Dienstag, 27. Januar 2015

Was Nun Auf Tsipras und Seine Regierung Zukommt

Alexis Tsipras hat seine linksradikale Partei SYRIZA zu einem fulminanten Wahlsieg geführt. Wenn man berücksichtigt, dass es SYRIZA als Partei erst seit Mai 2012 gibt, wird man sich der Tragweite dieses Ergebnisses bewusst. Jetzt erhielt SYRIZA 36 Prozent der Stimmen und die Nea Dimokratia, die bisher größte Partei, ist mit 29 Prozent deutlich abgeschlagen. Die zweite vormals staatstragende Partei, PASOK, die bei den Wahlen 2009 sogar 44 Prozent der Stimmen erzielt hatte, ist nunmehr mit nur 5 Prozent der Stimmen auf dem Weg ins politische Abseits. Der Großteil der PASOK-Wähler ist zu SYRIZA abgewandert.

Mit 149 Sitzen hat SYRIZA knapp die Mehrheit im Parlament verpasst. Binnen Stunden hat Tsipras beschlossen, mit den Unabhängigen Griechen eine Koalition zu bilden. Das kam überraschend, weil die Unabhängigen Griechen eher mitte-rechts stehen. Allerdings sind sie, wie SYRIZA, absolut anti-Austerität. Trotzdem war es ein Zeichen dafür, wie ideologisch flexibel Tsipras ist.

Der Wahlsieg von SYRIZA ist weniger als eine Entscheidung für die Linken zu werten, sondern vielmehr als eine Absage an die Sparpolitik der Troika. Nach fünf Jahren des Niedergangs konnten viele Griechen einem Messias nicht widerstehen, der Freude, Hoffnung und Optimismus versprühte – der ihnen versprach, dass alles wieder viel besser wird. Und zwar bald. Wie sieht nun das Programm von SYRIZA aus?

Was SYRIZA will
Auf Basis einer Rede, die Tsipras am 15. September 2014 in Thessaloniki hielt, entwickelten seine Top-Berater ein neunseitiges „Konzept“ mit dem Titel „Whatthe SYRIZA government will do“. Man muss also dieses „Konzept“ als Grundlage für eine Beurteilung von Griechenlands Zukunft heranziehen, wenngleich im Wahlkampf führende SYRIZA-Vertreter – Tsipras eingeschlossen – wiederholt andere und widersprüchliche Aussagen getroffen haben.

Das „Konzept“ könnte aus der Feder eines Amerikaners stammen, der nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland wieder aufbauen wollte. Seine vier Säulen sind die Bewältigung der humanitären Krise, die Ankurbelung der Wirtschaft und ein gerechtes Steuersystem, neue Beschäftigung sowie die Transformation des politischen Systems in eine bessere Demokratie. Die Detailmaßnahmen geben jedem Griechen Hoffnung, dass es ihm bald besser gehen wird. Sie kosten 11 Milliarden Euro. Gleichzeitig bringen sie Erträge von 12 Milliarden Euro, die von Steuerschwindlern, Schmugglern und sonstigen Parasiten Griechenlands kommen sollen. Es gibt wohl niemanden, der solchen Absichten widersprechen würde.

Die Tonlage verändert sich deutlich, wenn SYRIZA den Gesamtkontext ihrer Verhandlungsstrategie beschreibt. An erster Stelle steht dort ein Schuldenverzicht des „größeren Teils der Staatsschulden“ im Rahmen einer Europäischen Schuldenkonferenz analog zu jener von 1953. Griechenland soll in den gleichen Genuss kommen wie das damalige Deutschland. Die verbleibenden Schulden sollen an das Wirtschaftswachstum gekoppelt werden, mit dem Ziel, dass bei niedrigem Wachstum die Schulden nur teilweise getilgt werden, verbunden mit einem „möglichst langen“ Zinsmoratorium. Der Stabilitätspakt soll eingehalten werden, allerdings unter Ausschluss öffentlicher Investitionen. Die Europäische Investment Bank soll einen „European New Deal“ auf die Beine stellen. Und um Deutschland vorzuwarnen: Das Thema der nicht getilgten Zwangsanleihe aus dem Zweiten Weltkrieg soll auf den Verhandlungstisch kommen.

Es wäre ein großer Fehler, das „Konzept“ von SYRIZA nicht ernst zu nehmen. Immerhin hat es die Unterstützung von Nobelpreisträgern, wie Paul Krugman und Joseph Stiglitz, von sehr vielen international anerkannten Ökonomen und sehr vielen Meinungsbildnern. Der Tenor dieser Unterstützer lautet: Die EU kann aus moralischen Gründen nicht zuschauen, wie sich ein Mitgliedsland in ein volkswirtschaftliches Kuba entwickelt. Ganz abgesehen davon, dass wegen SYRIZA ein Umdenken seitens der EU erfolgen wird, mit dem Ergebnis, falsches Sparen durch Wachstumsimpulse zu ersetzen.

Provozierter „Grexit“?
SYRIZA wird sich allerdings auf einige sehr konkrete Fragen seitens der EU vorbereiten müssen, etwa die Fragen, wieso sich das „Konzept“ auf Maßnahmen konzentriert, wie andere Länder Griechenland helfen können. Sie ignoriert dabei, wie Griechenland sich selbst helfen könnte. Wieso glaubt Griechenland, dass eine Art Marshallplan für Griechenland ähnlich erfolgreich wirken würde wie seinerzeit für Deutschland, wenn Griechenland laut Doing Business Report der Weltbank schon seit Jahren der unattraktivste Wirtschaftsstandort und laut Amnesty International das korrupteste Land der EU ist?

Wieso werden Infrastrukturinvestitionen Wunder für Griechenland bewirken, wenn sie in der Vergangenheit Arbeitsplätze für billige Albaner und Schmiergelder auf Schweizer Bankkonten zur Folge hatten? Ist Alexis Tsipras wirklich zum Paulus geworden oder ist noch ein Teil von jenem Saulus in ihm, der schon im Gymnasium der kommunistischen Partei beigetreten war; der schon damals seine heutige Lebensgefährtin (und Mutter zweier Kinder, eines davon nach Che Guevara benannt), die auch eine aktive Kommunistin war, kennengelernt hatte; der in den letzten Jahren fast bei jeder Massendemonstration federführend und aufrührerisch gewirkt hatte?

Wer ist dieser Alexis Tsipras wirklich? Ist Tsipras’ Bekenntnis zur Eurozone wirklich ehrlich oder ist es eine Reaktion auf Meinungsumfragen, die sagen, dass bis zu 75 Prozent aller Griechen den Euro beibehalten wollen? Weiß denn Tsipras wirklich nicht, dass Griechenland ohne finanzielle Unterstützung und Know-how aus dem Ausland rasch auf einen Lebensstandard von Jahrzehnten vorher zurückfallen würde?

Manche stellen sogar die Frage, ob Tsipras möglicherweise eine Strategie verfolgt, den „Grexit“ zu provozieren, anderen die Verantwortung zuzuschieben und im Zuge dessen eine „Scheidung mit großzügigen Alimenten“ zu verhandeln. Tsipras’ größte Herausforderung wird es aber sein, seine Partei zusammenzuhalten.

Gut ein Drittel von SYRIZA ist radikal links; für sie gibt es keine Kompromisse. Manche unter ihnen fordern öffentlich den Euro-Austritt. Beim Parteikongress 2013 hatten sie „unwiderruflich“ beschlossen, alle Memoranden mit der Eurozone sowie die damit verbundenen Gesetze „am ersten Tag“ aufzukündigen und sämtliche bisherigen Reformen rückgängig zu machen. „Der erste Schritt wird die Wiederherstellung des Arbeitsrechtes, der Tarifverhandlungen, des Mindestlohns, der Mindestpensionen, der Arbeitslosenversicherung und der Familienbeihilfen auf das Niveau von vor der Krise sein.“ Dieser Beschluss ist nach wie vor gültig. Wie Tsipras diesen Teil seiner Partei von notwendigen Kompromissen überzeugen wird, ist derzeit noch ein Geheimnis.

Machtübernahme zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt
Vollkommen außerhalb von Tsipras’ Kontrolle ist jedoch das Vertrauen der griechischen Sparer. Eine markante Depositenflucht hatte bereits im Dezember eingesetzt und beschleunigte sich im Januar. Sollte nach der Wahl keine Beruhigung einkehren, sondern sich die Nervosität verstärken, dann könnte sich durchaus ergeben, dass auch Griechen, die mit dem Herz für SYRIZA stimmten, mit dem Hirn zugunsten ihres eigenen Vermögens votieren. Ein Run auf die Banken würde wahrscheinlich das Ende der gewählten Regierung bedeuten und Neuwahlen erforderlich machen – vom allgemeinen Chaos ganz zu schweigen.

Faktum ist, dass Tsipras die Regierungsverantwortung zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt übernimmt. Seit Dezember gehen die Steuereinnahmen rasant zurück und es ist zu bezweifeln, dass Griechenland derzeit noch einen Primärüberschuss hat. Falls nicht, müsste der Staat von der Substanz leben, die Cash-Reserven waren zuletzt jedoch weniger als zwei Milliarden Euro.

Am 28. Februar läuft das derzeitige Troika-Programm aus. Tsipras wird sich gezwungen sehen, das Programm vorläufig zu verlängern, weil andernfalls die EZB ihre Refinanzierung des griechischen Bankensektors beenden würde. Wie wird Tsipras seinen Anhängern erklären, dass er – statt sämtliche Vereinbarungen mit der Troika aufzukündigen – diese Troika sogar um eine Verlängerung ersucht?

Ohne Vereinbarung mit der Troika steuert Griechenland im ersten Halbjahr unaufhaltsam auf die Zahlungsunfähigkeit zu. SYRIZA hat wiederholt betont, dass es keinen Plan B gibt für den Fall, dass mit der Troika keine Vereinbarung erzielt werden kann. Und jede Vereinbarung mit der Troika erfordert einen erheblichen Kompromiss seitens Tsipras.

Etikettenschwindel als Ausweg
Eine salomonische Lösung wäre folgende: Man bedient sich eines sprachlichen Tricks und ersetzt das Wort „Memorandum“ durch den Begriff „Langfristiger industriepolitischer Entwicklungsplan“. Somit könnte Tsipras auf sein Konto verbuchen, das Memorandum abgeschafft und stattdessen etwas für die Entwicklung Griechenlands verhandelt zu haben. Statt einen Schuldenschnitt zu erreichen, wird die Troika eine Streckung der Tilgungen, beispielsweise auf 50 Jahre und eine Senkung der Zinsen anbieten. Ökonomisch hätte dies eine ähnliche Wirkung wie ein Haircut.

Die Troika wäre sicherlich auch bereit, einen Beitrag zur Erleichterung der humanitären Krise zu leisten und möglicherweise auch mehr. Die Troika wird jedoch mit Sicherheit nicht von ihren Reformbedingungen abweichen. Wahrscheinlicher ist, dass sie die Reformen sogar beschleunigt, weil Griechenland bei der Umsetzung weit im Rückstand liegt. Tsipras hat bisher immer versichert, dass es keine weiteren Reformen geben wird und dass bisherige Reformen aufgehoben werden. Dies wird der Knackpunkt bei den Verhandlungen sein.

Andreas Papandreou, Tsipras’ großes Vorbild, hatte es nach seiner Wahl 1981 geschafft, einige seiner wesentlichen Wahlversprechen, etwa den Austritt aus der EU, abzusagen, ohne den Rückhalt seiner Partei, PASOK, zu verlieren. Tsipras wird Ähnliches schaffen müssen, sofern er länger im Amt bleiben und seine Vision für Griechenland umsetzen möchte. Aus heutiger Sicht stehen die Voraussetzungen dafür nicht gut.

Sollte Tsipras scheitern, dann scheitert auch seine Regierung und Neuwahlen müssten abgehalten werden. Dass die griechischen Sparer dann trotzdem noch ihr Geld bei den Banken lassen werden, darf bezweifelt werden.

Originalveröffentlichung auf nzz.at hier.

Dienstag, 20. Januar 2015

Je Ne Suis Pas Charlie

Nein, ich bin nicht ‚Charlie‘. Genau so wenig war ich ‚FOCUS‘, als dieses Magazin zu Beginn der Eurokrise die Aphrodite mit dem Stinkefinger auf die Titelseite brachte. Vielleicht ist es wegen meiner Erziehung vor 6 Jahrzehnten, dass man die Ehre und Würde eines Menschen nicht verletzen sollte; einen Menschen nicht demütigen sollte; oder - wie die Chinesen sagen -: einem Menschen nicht das Gesicht nehmen sollte. Oder vielleicht sind es die Erlebnisse im wirklichen Leben, die mich beeinflussen, mich nicht als Charlie zu fühlen.

Als nach dem 1. Weltkrieg ein ganzes Volk gedemütigt wurde, kam ein gewisser Adolf Hitler mit der Absicht, dem gedemütigten Volk wieder ein – wenn auch krankhaftes – Selbstwertgefühl zu vermitteln. Bei seiner Rede am überfüllten Heldenplatz hieß Hitler seine Heimat im Deutschen Reich willkommen; eine späte Revanche für die Demütigung des Ausschlusses aus diesem Reich seitens Bismarck. Drei Jahrzehnte später versammelte ein gewisser Karl Schranz eine ebenso große Menschenmenge, die sich auf die Seite eines gedemütigten Menschen und Landes stellte.

Der kürzlich verstorbene Grand Seigneur der österreichischen Finanz, Heinrich Treichl, sagte einmal in einem Interview: „Vor allem bin ich froh, nie von dieser österreichischen Krankheit, von diesem Minderwertigkeitskomplex, befallen gewesen zu sein“. Das spricht für die Ausnahmeerscheinung des Herrn Heinrich Treichl. Die breite Masse – nicht nur in Österreich! – würde dies jedoch anders sehen. Sie kämpft tagtäglich um ein gewisses Selbstwertgefühl; um das Gefühl, akzeptiert und anerkannt zu werden.

Wie fühlen sich Griechen, wenn sie die Aphrodite mit dem Stinkefinger sehen? Wie fühlen sich Muslime, wenn sie eine Karikatur sehen, wo die 3 getöteten Terroristen im Himmel ankommen und fragen, wo die 70 Jungfrauen sind, und als Antwort bekommen, dass diese Jungfrauen bereits an die 12 Todesopfer von Charlie vergeben sind?

Ich kann nur ahnen, wie sich derartig gedemütigte Menschen fühlen. Würde ich mich so fühlen, würde ich trotzdem nicht zu einer Kalaschnikow greifen. Aber das ist die Prägung meines Kulturkreises. Andere Kulturkreise vermitteln andere Prägungen.

Donnerstag, 15. Januar 2015

Der Schweizerkracher und die Folgen!

Der Euro-Mindestkurs von 1,20 ist Geschichte. Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat den künstlichen Mindestkurs nicht durchgehalten und sie hat das gemacht, was eine Notenbank machen muss: sie hat vollkommen überraschend gehandelt; zu einem Zeitpunkt, wo niemand mit dieser Entscheidung gerechnet hätte; und: sie hat extrem konsequent gehandelt!

Die Frage drängt sich auf, ob wir nicht eines Tages aufwachen und erfahren werden, dass auch der Euro Geschichte ist. Sollte der Euro einmal Geschichte werden, dann wird es genauso erfolgen, wie es jetzt die SNB gemacht hat.

Das Wirtschaftswunder Schweiz wird jetzt vorübergehend ins Gerede kommen. Plötzlich werden alle Experten wissen, dass es mit dem Erfolg der Schweiz nicht einfach so weitergehen konnte. Man wird sich plötzlich fragen, ob die Schweiz mit einem Franken, der über 1:1 gegenüber dem Euro steht, überhaupt noch wettbewerbsfähig bleiben kann. Man wird den Verlust von Arbeitsplätzen in der Schweizer Exportwirtschaft befürchten. Man wird sich fragen, ob Schweizer Immobilien in Bezug auf Devisen wirklich so viel wert sind. Wer weiß: der bisherige ‚Run‘ in den CHF könnte sich in einen ‚Run‘ aus dem CHF drehen. Kein Mensch kann das wissen.

Jetzt wird die SNB zum 31. Jänner zunächst einmal ein negatives Eigenkapital bilanzieren. Je nachdem, wie sich der Wechselkurs bis dahin entwickelt, könnte das durchaus ein Minus von bis zu 50 Mrd.CHF werden (oder auch mehr). Die SNB wird trotzdem voll funktionsfähig bleiben und die vermögende Schweiz wird wegen eines solchen Betrages nicht Konkurs anmelden müssen. Allerdings werden so manche österreichische Häuslbauer erkennen müssen, dass sich ihre CHF-Schulden bezogen auf Euro fast verdoppelt haben.

In Wirklichkeit hat die SNB großes Glück damit, dass sie rechtzeitig aus dem Mindestkurs ausgestiegen ist: der Verlust, den sie jetzt verbuchen muss, ist im Großen und Ganzen von den Spekulationsgewinnen gedeckt, die sie aufgrund des Mindestkurses verbuchen konnte. Es ist zwar ein Verlust, aber es ist der Verlust von etwas, was man vorher nicht gehabt hat.

Dass die Eurozone bei einem eventuellen Zusammenbrechen des Euro so viel Glück haben wird, ist durchaus anzuzweifeln.

Originalveröffentlichung hier.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Eine Unwürdige Botschaft An Die Griechen

„Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble halten einen Austritt des Landes aus der Gemeinschaftswährung für verkraftbar“, berichtete Der Spiegel und die Bundesregierung dementierte nicht sofort, womit dem Bericht Glauben geschenkt werden darf. Diese lancierte Meldung kann nicht anders verstanden werden als eine unwürdige Botschaft an die griechischen Wähler, sich sehr gut zu überlegen, ob sie wirklich die links-radikale SYRIZA wählen wollen.

Eine links-radikale griechische Regierung wird von den EU-Eliten – aus sehr verständlichen Gründen – nicht gewünscht. Auch von vielen Griechen nicht. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Maßnahmen einer SYRIZA-Regierung dem Land Armut und Chaos bescheren könnten. Es muss jedoch dem nationalen, demokratischen Prozess überlassen bleiben, eine neue Regierung ohne Beeinflussung von außen wählen zu können. Alles andere erinnert an die EU-Sanktionen gegen Österreich, als eine demokratisch gebildete österreichische Regierung den EU-Eliten nicht genehm war.

Seitdem in Griechenland vor ein paar Monaten wieder politische Unruhe eingekehrt ist, hat der griechische Regierungschef Samaras bei jeder Auseinandersetzung mit der Opposition die Grexit-Keule geschwungen. Das war und ist eines Regierungschefs aus der staatstragenden, konservativen Partei absolut unwürdig, man könnte jedoch einbringen, dass dies dem oftmals unappetitlichen Verhalten griechischer Politiker entspricht. Dass sich nun auch Spitzenpolitiker aus anderen Ländern dieses unappetitliche Verhalten zu eigen machen, ist ein Armutsbekenntnis für das europäische Demokratieverständnis.

Die Androhung eines Grexit entspricht einem sehr hohen Ausmaß an Arroganz, weil gemäß EU-Verträgen ein Ausschluss aus der Währungsunion nicht möglich ist. Selbst ein freiwilliger Austritt ginge nur mit einem gleichzeitigen Austritt aus der EU. Deutsche Politiker lassen die Öffentlichkeit wissen, dass „findige Anwälte“ sicherlich einen Ausweg finden würden. Genauso, wie sie Wege gefunden haben, die „no bail-out Klausel“, das Verbot der Schuldenvergemeinschaftung und das EZB-Verbot der Staatsfinanzierung zu umschiffen. Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der EU wird damit sicherlich nicht gefördert.

Es ist absolut widersinnig, einem Land das Ausscheiden aus der Währungsunion anzudrohen und/oder nahezulegen, nur weil es die mit der Troika getroffenen Vereinbarungen nicht einhalten will. Diese Vereinbarungen waren doch kein Selbstzweck! Sie waren Mittel zum Zweck, wobei dieser Zweck war, dass die griechische Volkswirtschaft via Reformen und andere Maßnahmen wieder gesunden sollte.

Von einer Gesundung der griechischen Volkswirtschaft kann keine Rede sein: fast eine Million Griechen sind ohne Einkommen und Krankenversicherung; fast drei Millionen sind in Armut oder armutsgefährdet mit rasch steigender Tendenz; die Arbeitslosenquote ging von 28% auf 25% nur deswegen zurück, weil sehr viele Griechen mittlerweile das Land verlassen haben.

Vor diesem Hintergrund ist es absolut legitim, ja sogar notwendig, die bisher vereinbarten Maßnahmen in Frage zu stellen; zu hinterfragen, warum sie nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben. Ohne Zweifel war Griechenland beim Sparen weltmeisterlich: kein anderer Staat hat jemals so viel Geld aus der Wirtschaft genommen (Kostensenkungen, Steuererhöhungen) wie Griechenland seit 2010. Griechenland ist insgesamt wesentlich „billiger“ geworden. Trotzdem hat dies die erwünschte Wirkung nicht gebracht.

Bei einer verantwortungsvollen Ursachenforschung wird man nicht an der Frage vorbeikommen, ob der Euro eine passende Währung für die griechische Wirtschaft ist. Damit der Euro für Griechenland positiv wirken kann, müssten staatliche und wirtschaftliche Strukturen von Grund auf reformiert werden und hier stellt sich die Frage der Reformfähigkeit Griechenlands. Ja, viele Troika-Maßnahmen wurden bisher umgesetzt, aber wesentliche und tiefgreifende Reformen wurden mit der gleichen Zähigkeit verhindert, wie Österreich einer Verwaltungsreform aus dem Wege geht. Und was das Kaufen von Wählerstimmen betrifft, das seit über 3 Jahrzehnten die griechische Politik geprägt hat und das die konservative Regierung abschaffen wollte: kaum standen mögliche Neuwahlen im Raum, verabschiedete die Samaras-Regierung kurz vor Weihnachten eine Maßnahme, 210 ehemalige Beschäftige der Athener Metro wieder einzustellen. Es waren die gleichen Beschäftigten, die die letzte konservative Regierung 2009 kurz vor ihrer Abwahl eingestellt hatte, die jedoch später wegen Umgehung der Einstellungsbedingungen wieder entlassen wurden. Vier Mal war vorher die Samaras-Regierung mit der Wiedereinstellung gescheitert. Vor Weihnachten stimmte dann auch die SYRIZA mit, womit sich auch bei SYRIZA die Frage stellt, ob diese Partei wirklich mit den unappetitlichen Praktiken der Vergangenheit brechen will.

Die letzten 15 Jahre haben gezeigt, wie zerstörerisch der Euro für eine reformunfähige griechische Wirtschaft sein kann. Vor diesem Hintergrund – und nicht wegen des Einhaltens von nicht funktionierenden Vereinbarungen – sollte die Frage eines möglichen Grexit gestellt werden. Das primäre Interesse der EU kann doch nicht sein, ein Land zu Reformen zu zwingen, wenn dieses Land in den fast 200 Jahren seiner modernen Geschichte gezeigt hat, dass es reformunfähig ist. Und schon gar nicht kann man notwendige Reformen mit einer Währung erzwingen. Da wäre ein Grexit in der Form einer „einvernehmlichen Scheidung mit Alimenten“ sicherlich ein sinnvollerer Weg.

Laut einer aktuellen Umfrage wollen fast 75% der Griechen den Euro beibehalten, „koste es, was es wolle“. Gleichzeitig gibt es Umfragen, dass eine Mehrheit der Griechen der sogenannten Sparpolitik ein Ende setzen möchte. Dass diese zwei Standpunkte nicht miteinander vereinbar sind, haben selbst extrem links-radikale Ökonomen der links-radikalen SYRIZA begriffen, die sich kürzlich zur Aussage hinreißen ließen, dass „ein Euro für Griechenland ohne begleitende Kontrolle der Troika“ nicht vorstellbar bzw. eine Illusion sei. Und genauso ist es!

Die griechischen Wähler werden also entscheiden müssen, welche Regierung den Euro beibehalten, die Vorgaben und Kontrolle der Troika jedoch verhindern kann. Es gibt derzeit keine griechische Partei, die eine vernünftige Antwort auf diese Frage zu bieten hat. Dies rechtfertigt jedoch nicht, dass ausländische Politiker den Griechen die Antwort auf diese Frage vorgeben.

Originalveröffentlichung hier.