Es gehört zum Repertoire seriöser Politiker aus
seriösen Parteien, von allfälligen Koalitionspartnern ein klares Bekenntnis zum
Euro zu verlangen, sehr oft verbunden mit der Moralkeule, dass ein Zweifel am
Euro auch einen Zweifel an der EU, dem bekanntermaßen großen Friedensprojekt,
bedeuten würde.
Originalveröffentlichung hier.
Leider verschweigen diese seriösen Politiker einen
wichtigen Teil der Wahrheit, warum sie dieses Bekenntnis einfordern. Für die
wirtschaftlich starken Länder wie Deutschland oder Österreich bedeutet der Euro
einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den wirtschaftlich schwachen
Ländern der heutigen Eurozone. Gäbe es in den Ländern der heutigen Eurozone
Lokalwährungen, dann würden beispielsweise eine DM oder ein Schilling deutlich
gegenüber den anderen Währungen aufwerten. Aller Wahrscheinlichkeit würden
diese Währungen auch gegenüber Drittwährungen aufwerten. Als Ergebnis würden in
den wirtschaftlich starken Ländern die Exporte in die Länder der heutigen
Eurozone sinken (wahrscheinlich auch die Exporte in Drittländer), die Importe
würden steigen (vor allem aus den Ländern der heutigen Eurozone) und das
Wirtschaftswachstum würde unter Druck kommen.
Eine ehrliche Aussage seitens der wirtschaftlich
starken Länder über das Bekenntnis zum Euro müsste folgendermaßen lauten: „Wir
wollen den Euro, weil er uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft, den wir ohne
den Euro nicht hätten und weil wir für diesen Wettbewerbsvorteil nichts zahlen
müssen“. Letzteres stimmt nicht ganz, denn zahlen werden die wirtschaftlich
starken Länder früher oder später müssen: entweder, weil sie Kredite an die
wirtschaftlich schwachen Länder abschreiben oder weil sie Transfers leisten
müssen (oder weil sie weniger exportieren können). Anders geht das nicht in
einer Währungsunion von Volkswirtschaften unterschiedlicher Produktivität und Leistungskraft.
Der große europäische Liberale Prof. Ralf
Dahrendorf (2009 gestorben als Lord Dahrendorf) hatte 1995 in einem Spiegel-Interview folgendes gesagt: „Das Projekt Währungsunion erzieht die
Länder zu deutschem Verhalten, aber nicht alle Länder wollen sich so verhalten
wie Deutschland. Für Italien sind gelegentliche Abwertungen viel nützlicher als
feste Wechselkurse, und für Frankreich sind höhere Staatsausgaben viel
sinnvoller als starres Festhalten an einem Stabilitätskriterium, das vor allem
Deutschland nützt. Der Preis (für Italien und Frankreich) ist sehr hoch, und es
kann sich schon bald herausstellen, dass er zu hoch ist – psychologisch,
politisch und ökonomisch“. Nach dem ersten Euro-Jahrzehnt wusste man, dass man
manche Länder nicht zu deutschem Verhalten erziehen kann, vor allem nicht mit
einer Währung.
Der weltweit anerkannte Finanzjournalist Ambrose Evans-Pritchard schrieb unlängst in der Financial Times ein Plädoyer, dass
„Italien auf sich selbst schauen muss“ und dass der einzige Weg aus der Krise
für Italien eine Rückkehr zur Lire ist. AEP erinnerte daran, dass Italien zu
Lire-Zeiten oft einen Handelsbilanzüberschuss mit Deutschland hatte und dass
sein Industriesektor zu den Großen der Welt gehörte.
Vor diesem Hintergrund ist es schlichtweg
fahrlässig, am Dogma „fällt der Euro, dann fällt die EU“ festzuhalten. Der Euro
in seiner heutigen Struktur kann nur unter zwei Voraussetzungen langfristig
überleben: entweder (a) eignen sich die Südländer (inkl. Frankreich) zügig
deutsches Verhalten an oder (b) Deutschland und andere starke Wirtschaften
eignen sich südländisches Verhalten an. Keine dieser Voraussetzungen erscheint
erfolgsversprechend und eine Mischung zwischen beiden ist weder Fisch noch
Fleisch.
Es geht nicht darum, für eine Auflösung der
Eurozone zu plädieren. Vielmehr geht es darum, endlich einmal eine
ergebnisoffene Diskussion zuzulassen, welche Alternativen es zur heutigen
Eurozone geben könnte. Vorschläge von Ökonomen und Finanzjournalisten gibt es
genug. Was es noch nicht gibt, ist die Bereitschaft seriöser Politiker aus
seriösen Parteien, sich auf eine ergebnisoffene Diskussion einzulassen.
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