Eine Notenbankbilanz sieht
nicht anders aus als die Bilanz einer Geschäftsbank: sie hat Aktiva
(Vermögenswerte) auf der linken Seite der Bilanz und auf der rechten Seite
Passiva (Schulden) und Eigenkapital. Eine Notenbank (sei es die EZB, die Fed
oder die Schweizer Nationalbank) funktioniert jedoch vollkommen anders als eine
Geschäftsbank. Wenn eine Geschäftsbank ihre Refinanzierung verliert, weil ihre
„Schuldner“ (Sparer, Anleger, inter-bank Gläubiger, etc.) massiv ihr Geld
abziehen, dann wird die Geschäftsbank illiquide. Wenn ihr Eigenkapital negativ
wird, muss sie Konkurs anmelden. Eine Notenbank hingegen kann (in ihrer
Landeswährung) weder illiquide werden noch in Konkurs gehen. Und daraus
entsteht die Herrschaft der Notenbanken. Zu den Passiven einer Notenbank
gehören Banknoten im Umlauf und Giroeinlagen von Banken. Buchhalterisch sind
das „Schulden“, es sind jedoch Schulden, die nur mit neuen Schulden eingelöst
werden können. Ein Privater, der zur Notenbank geht, weil er beispielsweise
seine 100 Euro zurückhaben will, verlangt von der Notenbank, dass sie ihre
„Schulden“ ihm gegenüber tilgt. Als Schuldentilgung bekommt der Private jedoch
wieder — 100 Euro. Wenn Bank A eine Mrd.EUR von der EZB abzieht und sie auf ihr
Konto bei Bank B überweist, dann wurden die EZB-Schulden gegenüber Bank A
getilgt. Alles, was jedoch die EZB macht, ist, dass sie das Guthabenkonto, das
Bank A bei ihr unterhält, belastet und das Guthabenkonto, das Bank B bei ihr
unterhält, erkennt. Alle Geschäftsbanken sind „gefangene“ Kunden der Notenbank.
Zahlungsausgänge bedeuten für die Notenbank lediglich eine Umbuchung auf
Konten, die bei ihr unterhalten werden. Ebenso kann die Notenbank unbegrenzt
Landeswährung in den Markt „pumpen“: sie bucht beispielsweise auf ihrer
Aktivseite „Kredite an Banken“ und auf ihrer Passivseite „Giroguthaben von
Banken“. Kurz: eine Notenbank kann in ihrer Landeswährung nie illiquide werden,
weil sie jedes Geld, das sie braucht, selbst schöpfen kann (und natürlich auch,
weil sie das Monopol über ihre Landeswährung hat). Notenbanken unterliegen
nicht dem Aktienrecht, sondern einem eigenen Notenbankgesetz. Eine
Aktiengesellschaft muss bei negativem Eigenkapital Konkurs anmelden. Ein
Notenbankgesetz verlangt weder ein positives Eigenkapital noch eine
Nachschusspflicht seitens der Eigentümer. Notenbanken sind auch mit negativem
Eigenkapital voll funktionsfähig in ihrer Landeswährung, weil sie nicht
illiquide werden können.
Der Vorstand einer Notenbank
besteht aus Menschen wie auch die Vorstände von normalen Banken/Unternehmen.
Warum sollen sich die „Menschen“ einer Notenbank ganz anders verhalten als die
„Menschen“ eines normalen Unternehmens. Wenn Vorstände von normalen Unternehmen
sich nie Sorgen über Illiquidität und/oder Insolvenz machen müssten, würden sie
sich wahrscheinlich anders verhalten. Vor allem, wenn sie wüssten, dass ihnen
ihr Eigentümer nichts antun kann.
Diese Sorgen haben die
Vorstände von Notenbanken nicht, weil sie – wie bereits dargestellt – weder
illiquide noch insolvent werden können und weil sie – laut Notenbankgesetz –
vom Eigentümer unabhängig bleiben müssen. Würde eine Geschäftsbank 80% ihrer
Aktiva in Fremdwährung halten und diese mit Landeswährung finanzieren, dann
hätte sie ein unvertretbares (und nicht erlaubtes) Risiko. Die Schweizer
Nationalbank hat beispielsweise mehr als 80% ihrer Aktiva in Devisen und
finanziert diese mit Landeswährung, d. h. mit CHF-Schulden gegenüber Banken.
Außerdem beinhalten diese Devisenreserven einen Anteil von
Unternehmensaktien/-anleihen von rund 20%. Das sind immerhin rund 90 Mrd.CHF,
die die SNB (eine Notenbank!) in Unternehmensaktien/-anleihen investiert hat.
Kurz und gut: Notenbanken können in ihrer Landeswährung tun und lassen, was sie
wollen. Sie können Geld unbeschränkt in den Markt pumpen und es auch aus dem
Markt abziehen. Sie können die Zinsen erhöhen oder reduzieren. Sie können
indirekt in die Fiskalpolitik eingreifen. Sie unterliegen keinerlei äußeren Zwängen
wie z. B. dem Erfordernis von Liquidität oder Solvabilität. Ihr einziger
äußerer Zwang ist ihre Glaubwürdigkeit. Sollte eine Notenbank ihre
Glaubwürdigkeit einbüßen, dann verliert sie ihre Funktionsfähigkeit und ihre
Landeswährung bricht zusammen. Milton Friedman hat dieses System einmal
folgendermaßen kritisiert: „Ein System, das so viel Macht und Diskretion
einigen wenigen Menschen zuteilt, deren Fehler so weitreichende Folgen haben
können, ist ein schlechtes System. Es ist eine Gefahr für die Freiheit, weil es
so wenigen so viel Macht gibt, ohne dass diese ‚Wenigen‘ irgendeiner Kontrolle
unterliegen. Um Clemenceau zu zitieren: ‚Geld ist eine viel zu ernste
Angelegenheit, als dass man es in den Händen von Notenbankern lassen dürfte‘“.
Bis zum Ausbruch der
Finanzkrise 2007/08 waren Notenbanken nur selten ein Thema der öffentlichen
Diskussion. Inzwischen hat man den Eindruck, dass wirtschaftliches Freud und
Leid der ganzen Welt vom Agieren einiger weniger Notenbanker abhängt. Es wird
unvermeidbar sein, dass früher oder später die ‚Herrschaft der Notenbanken‘,
wie sie derzeit existiert, ein heißes Thema der demokratischen Diskussion
werden wird. Und so sollte es auch sein!
Originalveröffentlichung hier.