Mittwoch, 7. Januar 2015

Eine Unwürdige Botschaft An Die Griechen

„Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble halten einen Austritt des Landes aus der Gemeinschaftswährung für verkraftbar“, berichtete Der Spiegel und die Bundesregierung dementierte nicht sofort, womit dem Bericht Glauben geschenkt werden darf. Diese lancierte Meldung kann nicht anders verstanden werden als eine unwürdige Botschaft an die griechischen Wähler, sich sehr gut zu überlegen, ob sie wirklich die links-radikale SYRIZA wählen wollen.

Eine links-radikale griechische Regierung wird von den EU-Eliten – aus sehr verständlichen Gründen – nicht gewünscht. Auch von vielen Griechen nicht. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Maßnahmen einer SYRIZA-Regierung dem Land Armut und Chaos bescheren könnten. Es muss jedoch dem nationalen, demokratischen Prozess überlassen bleiben, eine neue Regierung ohne Beeinflussung von außen wählen zu können. Alles andere erinnert an die EU-Sanktionen gegen Österreich, als eine demokratisch gebildete österreichische Regierung den EU-Eliten nicht genehm war.

Seitdem in Griechenland vor ein paar Monaten wieder politische Unruhe eingekehrt ist, hat der griechische Regierungschef Samaras bei jeder Auseinandersetzung mit der Opposition die Grexit-Keule geschwungen. Das war und ist eines Regierungschefs aus der staatstragenden, konservativen Partei absolut unwürdig, man könnte jedoch einbringen, dass dies dem oftmals unappetitlichen Verhalten griechischer Politiker entspricht. Dass sich nun auch Spitzenpolitiker aus anderen Ländern dieses unappetitliche Verhalten zu eigen machen, ist ein Armutsbekenntnis für das europäische Demokratieverständnis.

Die Androhung eines Grexit entspricht einem sehr hohen Ausmaß an Arroganz, weil gemäß EU-Verträgen ein Ausschluss aus der Währungsunion nicht möglich ist. Selbst ein freiwilliger Austritt ginge nur mit einem gleichzeitigen Austritt aus der EU. Deutsche Politiker lassen die Öffentlichkeit wissen, dass „findige Anwälte“ sicherlich einen Ausweg finden würden. Genauso, wie sie Wege gefunden haben, die „no bail-out Klausel“, das Verbot der Schuldenvergemeinschaftung und das EZB-Verbot der Staatsfinanzierung zu umschiffen. Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der EU wird damit sicherlich nicht gefördert.

Es ist absolut widersinnig, einem Land das Ausscheiden aus der Währungsunion anzudrohen und/oder nahezulegen, nur weil es die mit der Troika getroffenen Vereinbarungen nicht einhalten will. Diese Vereinbarungen waren doch kein Selbstzweck! Sie waren Mittel zum Zweck, wobei dieser Zweck war, dass die griechische Volkswirtschaft via Reformen und andere Maßnahmen wieder gesunden sollte.

Von einer Gesundung der griechischen Volkswirtschaft kann keine Rede sein: fast eine Million Griechen sind ohne Einkommen und Krankenversicherung; fast drei Millionen sind in Armut oder armutsgefährdet mit rasch steigender Tendenz; die Arbeitslosenquote ging von 28% auf 25% nur deswegen zurück, weil sehr viele Griechen mittlerweile das Land verlassen haben.

Vor diesem Hintergrund ist es absolut legitim, ja sogar notwendig, die bisher vereinbarten Maßnahmen in Frage zu stellen; zu hinterfragen, warum sie nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben. Ohne Zweifel war Griechenland beim Sparen weltmeisterlich: kein anderer Staat hat jemals so viel Geld aus der Wirtschaft genommen (Kostensenkungen, Steuererhöhungen) wie Griechenland seit 2010. Griechenland ist insgesamt wesentlich „billiger“ geworden. Trotzdem hat dies die erwünschte Wirkung nicht gebracht.

Bei einer verantwortungsvollen Ursachenforschung wird man nicht an der Frage vorbeikommen, ob der Euro eine passende Währung für die griechische Wirtschaft ist. Damit der Euro für Griechenland positiv wirken kann, müssten staatliche und wirtschaftliche Strukturen von Grund auf reformiert werden und hier stellt sich die Frage der Reformfähigkeit Griechenlands. Ja, viele Troika-Maßnahmen wurden bisher umgesetzt, aber wesentliche und tiefgreifende Reformen wurden mit der gleichen Zähigkeit verhindert, wie Österreich einer Verwaltungsreform aus dem Wege geht. Und was das Kaufen von Wählerstimmen betrifft, das seit über 3 Jahrzehnten die griechische Politik geprägt hat und das die konservative Regierung abschaffen wollte: kaum standen mögliche Neuwahlen im Raum, verabschiedete die Samaras-Regierung kurz vor Weihnachten eine Maßnahme, 210 ehemalige Beschäftige der Athener Metro wieder einzustellen. Es waren die gleichen Beschäftigten, die die letzte konservative Regierung 2009 kurz vor ihrer Abwahl eingestellt hatte, die jedoch später wegen Umgehung der Einstellungsbedingungen wieder entlassen wurden. Vier Mal war vorher die Samaras-Regierung mit der Wiedereinstellung gescheitert. Vor Weihnachten stimmte dann auch die SYRIZA mit, womit sich auch bei SYRIZA die Frage stellt, ob diese Partei wirklich mit den unappetitlichen Praktiken der Vergangenheit brechen will.

Die letzten 15 Jahre haben gezeigt, wie zerstörerisch der Euro für eine reformunfähige griechische Wirtschaft sein kann. Vor diesem Hintergrund – und nicht wegen des Einhaltens von nicht funktionierenden Vereinbarungen – sollte die Frage eines möglichen Grexit gestellt werden. Das primäre Interesse der EU kann doch nicht sein, ein Land zu Reformen zu zwingen, wenn dieses Land in den fast 200 Jahren seiner modernen Geschichte gezeigt hat, dass es reformunfähig ist. Und schon gar nicht kann man notwendige Reformen mit einer Währung erzwingen. Da wäre ein Grexit in der Form einer „einvernehmlichen Scheidung mit Alimenten“ sicherlich ein sinnvollerer Weg.

Laut einer aktuellen Umfrage wollen fast 75% der Griechen den Euro beibehalten, „koste es, was es wolle“. Gleichzeitig gibt es Umfragen, dass eine Mehrheit der Griechen der sogenannten Sparpolitik ein Ende setzen möchte. Dass diese zwei Standpunkte nicht miteinander vereinbar sind, haben selbst extrem links-radikale Ökonomen der links-radikalen SYRIZA begriffen, die sich kürzlich zur Aussage hinreißen ließen, dass „ein Euro für Griechenland ohne begleitende Kontrolle der Troika“ nicht vorstellbar bzw. eine Illusion sei. Und genauso ist es!

Die griechischen Wähler werden also entscheiden müssen, welche Regierung den Euro beibehalten, die Vorgaben und Kontrolle der Troika jedoch verhindern kann. Es gibt derzeit keine griechische Partei, die eine vernünftige Antwort auf diese Frage zu bieten hat. Dies rechtfertigt jedoch nicht, dass ausländische Politiker den Griechen die Antwort auf diese Frage vorgeben.

Originalveröffentlichung hier.

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