Es ist an der Zeit, dass man aufgibt, von
Griechenland Reformen zu verlangen. Ganz offensichtlich führt das zu (fast)
nichts. Stattdessen sollte man Griechenland beim Wort nehmen und der Regierung
ihre Wünsche/Forderungen erfüllen.Die Tsipras Regierung hat einige Punkte ganz
deutlich und verbindlich ausgesprochen: (a) sie möchte von öffentlichen
Gläubigern keine neuen Schulden aufnehmen, um bei diesen Gläubigern fällig
werdende Schulden zu bezahlen; (b) sie möchte den Schuldendienst (Zinsaufwand)
reduzieren bzw. minimieren (vorzugsweise auf null); und (c) sie verspricht
ihren Bürgern, NIE WIEDER Kredite aufzunehmen, um Primärausgaben zu finanzieren
(Finanzminister Varoufakis hat wiederholt garantiert, dass Griechenland NIE
WIEDER ein Primärdefizit verzeichnen wird). Außerdem hat die Regierung von den
Institutionen verlangt, den verlangten Primärüberschuss von 3-4% des GDP auf
1,5% zu reduzieren.
Diese Wünsche sind relativ einfach erfüllbar. Von
den gesamten Staatsschulden Griechenlands (313 Mrd.EUR per Ende März) sind rund
280 Mrd.EUR bei den öffentlichen Gläubigern (ESM, EZB, IMF und einzelne
Staaten). Diese 280 Mrd.EUR sollte man auf 30-50 Jahre endfällig umschulden, d.
h. keine Tilgungen in der Zwischenzeit.
1,5% des GDP – d. h. jener Betrag, den
Griechenland bereit ist, für den Schuldendienst (Zinsen) aufzuwenden –
entsprechen auf Basis der Ziffern für 2014 genau 5,5% der ordentlichen
Netto-Steuereinnahmen des Staates (vor Privatisierungserlösen). Das wären 2014
ca. 2,7 Mrd.EUR gewesen, also ausreichend, um die privaten Gläubiger zu
bedienen und einen kleinen Betrag für die öffentlichen Gläubiger
bereitzustellen (d. h. minimale Zinsen für die öffentlichen Gläubiger).
Man sollte Griechenland verpflichten, auf Dauer
5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen für den Zinsaufwand
bereitzustellen, d. h. genau jenen Betrag, den sie gefordert hat. In dem Maße,
indem die Steuereinnahmen steigen (was angesichts der von der Regierung
angekündigten Maßnahmen bald der Fall sein wird), werden auch die Zinserträge
für die offiziellen Gläubiger steigen.
Damit wären alle Wünsche Griechenlands voll
befriedigt: keine Tilgungen bei öffentlichen Kreditgebern für die nächsten
30-50 Jahre; anfangs nur minimale Zinszahlung (nahezu null); und ein
Zinsaufwand, der bei 5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen eingefroren
wird (d. h. 1,5% des GDP). Die öffentlichen Gläubiger könnten sogar freiwillig
einen Schritt weitergehen und den Zinsauswand während der ersten 5 Jahre
thesaurieren, d. h. dem Kreditkapital hinzuschreiben.
Welche Auflagen sollten die öffentlichen Gläubiger
machen? Keine Reformen, keine Gehalts- und Pensionskürzungen, keine
Privatisierungen! Nur eine einzige Auflage wäre erforderlich: KEINE NEUEN
STAATSSCHULDEN VON WEM AUCH IMMER OHNE DIE EXPLIZITE BEWILLIGUNG DER
INSTITUTIONEN!
Auch für die öffentlichen Gläubiger wäre das ein
gutes Geschäft. Mit Kapitalrückzahlungen wäre in den nächsten Jahrzehnten
ohnehin nicht zu rechnen, aber ein Schuldenverzicht, der die Steuerzahler hart
treffen würde, wäre vermieden. Die reduzierten Zinserträge (selbst null-Zinsen)
wären in der derzeitigen Zinsenlandschaft in den nationalen Budgets kaum
spürbar. Und – man müsste kein gutes Geld mehr dem schlechten nachschicken.
Griechenland wäre allerdings jetzt unter Leistungsdruck.
Sollten die Netto-Steuereinnahmen nicht die Primärausgaben decken (nach Abzug
der 5,5% Zinsen), dann gäbe es keine neuen Kredite mehr. Vielmehr müsste
Griechenland jene Reformen machen, die laut der Regierung sehr wirksam sein
werden. Sollten diese Reformen nicht greifen, dann müsste die Regierung aus
eigener Initiative (und nicht wegen des Drucks der Institutionen) die
Primärausgaben reduzieren.
Kurz und gut: Griechenland hätte seinen größten
Wunsch erfüllt: es wäre finanziell wieder mehr oder weniger souverän. Und die
öffentlichen Gläubiger hätten den großen Vorteil, argumentieren zu können, dass
sie Griechenland alle seine Wünsche/Forderungen erfüllt haben. Sollte das immer
noch nicht reichen, damit der griechische Staat finanziell über die Runden
kommt, dann würde das eindeutig an Griechenland selbst liegen.
Originalveröffentlichung hier.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen