Sonntag, 9. Januar 2022

Der Euro ist schlechter als sein derzeit gar nicht so schlechter Ruf!

Anläßlich des 20-jährigen Jubiläums des Euro veröffentlichte Alt-Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel einen Artikel mit dem Titel "Der Euro ist besser als sein Ruf!" Da man bei diesem Artikel keine Kommentare machen konnte und da Dr. Schüssel einmal behauptet hat, "I' les' kane Mails. Des is' a Prinzip von mir", veröffentliche ich unten das Email, das ich an Dr. Schüssel geschickt hätte, wenn ich seine Email Adresse gehabt hätte.


Sehr geehrter Herr Dr. Schüssel,

Ich möchte Ihnen nachstehend ein einziges Argument liefern, weshalb der Euro viel schlechter ist als sein derzeit gar nicht so schlechter Ruf.

Die Deutsche Bundesbank weist derzeit rund 1.130 Mrd.EUR an Target2 Forderungen gegenüber dem Eurosystem aus. Mindestens 80% der diesen Forderungen gegenüberstehenden Verbindlichkeiten werden in Spanien, Italien, Griechenland und Portugal gebucht. Bilanztechnisch gesehen besteht die Eurozone aus „have’s“ und „have-not’s“. Bei den „have’s“ baut sich die Liquidität auf, bei den „have-not’s“ bauen sich die Schulden auf und in beiden Fällen ist der Trend immer nur in eine Richtung. 

Eine Währungsunion, die strukturell zu derartigen Ungleichgewichten führt (und zwar ohne Perspektive, dass sich an diesen Ungleichgewichten etwas ändern wird), kann auf Dauer nur funktionieren, wenn Transfermechanismen eingeführt werden (z. B. Transfer- und/oder Schuldenunion). Das Kapital, das strukturell aus den „have-not’s“ abfließt (Leistungsbilanzdefizite und/oder Kapitalflucht) muß auf anderen Wegen wieder in diese Länder zurückfließen. Freiwillig geschieht das nur, solange es keine Anzeichen einer Krise gibt. 

Nachdem b.a.w. sowohl von der EU als auch von der EZB Unmengen von Liquidität umverteilt werden, ist mit einer ernsthaften Euro-Krise in den nächsten Jahren wohl nicht zu rechnen. Allerdings werden diese Umverteilungen obige Ungleichgewichte verstärken und nicht abbauen. Deswegen meine Prognose: in den nächsten 10-20 Jahren werden wir eine Transfer- und/oder Schuldenunion haben oder keine Währungsunion mehr in der jetzigen Größe. Ich fürchte, dass das eine entweder/oder Situation sein wird. Bei solchen systemischen Unsicherheiten kann man m. E. nicht behaupten, dass der Euro besser ist als sein Ruf.

Freundliche Grüße


Zur Erläuterung

Das Kapital fließt aus 2 Gründen von den "have-not's" zu den "have's": einerseits Leistungsbilanzdefizite und andererseits Kapitalflucht.

Ad Leistungsbilanzdefizite: solange einzelne Länder nachhaltig Leistungsbilanzdefizite anhäufen, werden sie (auch Frankreich!) zu "have-not's". Nicht aus volkswirtschaftlichen, sondern aus mathematischen Gründen müssen Leistungsbilanzdefizite 1:1 finanziert werden mit Kapitalimporten. Da Kapitalimporte größtenteils in der Form von Schulden stattfinden, steigt auch die Auslandsverschuldung dieser Länder nachhaltig.

Ad Kapitalflucht: diese ist das größte Risiko für die Stabilität der Eurozone. Sobald sich auch nur die geringste Krise in einem Mitgliedsland abzeichnet, werden (a) Auslandsinvestoren ihr Kapital abziehen und (b) Inländer ihr Erspartes ins Ausland bringen. Dank des freien Kapitalverkehrs kann das nicht unterbunden werden. Und Dank Target2 sind dieser Kapitalflucht auch mengenmäßig keine Grenzen gesetzt.

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