Die Begeisterung über die neue Regierung bzw. über das neue
Regierungsprogramm hält sich in Grenzen. Kritik hagelt es von allen Seiten,
auch aus den eigenen Parteireihen. Man vermisst die ‚großen Reformvorhaben‘.
Der oberflächliche Beobachter gewinnt den Eindruck, dass die
Überzeugung herrscht (auch bei Nicht-Regierungsparteien), dass nicht nur der
‚Papa‘, sondern auch der Staat alles zum Guten richten kann. Dies scheint keine
Minderheitsmeinung mehr zu sein. Wenn dem so ist, dann gilt es, sie zu
akzeptieren.
Gegner eines ‚zu großen Staates‘ behaupten, dass das auf Dauer
nicht gut gehen kann. Auf Dauer wird dem Staat das Geld anderer Leute ausgehen.
Das ist zwar nicht ganz falsch, aber – Österreich betreffend – auch nicht ganz
richtig. Die österreichischen Privatvermögen sind so hoch, dass sie noch sehr,
sehr lange herhalten können, um den Staat zu finanzieren. Es ist nur eine
Frage, wie der Staat an diese Privatvermögen herankommt – elegant oder weniger
elegant.
So sehr die finanziellen Argumente gegen einen überbordenden
Staat herhalten, sie sind m. E. die falschen Argumente. Der Staat wird noch
sehr, sehr lange beweisen können, dass ihm elegante oder weniger elegante Wege,
an die Privatvermögen heranzukommen, einfallen. Und das alles mit dem
Killer-Argument, den sozialen Frieden zu erhalten.
Die viel stärkeren Argumente gegen einen überbordenden Staat liegen
im Bereich der soziologischen Aspekte. Eine Gesellschaft, die bei ihren Bürgern
eine Mentalität züchtet, dass der Staat – ungeachtet ökonomischer Realitäten –
alles richten kann, wird früher oder später an gesellschaftlicher Qualität
verlieren. Der Begriff ‚Fairness‘ ist ein ganz wichtiger Bestandteil der
gesellschaftlichen Qualität, sei es eine Familie, sei es eine Firma, sei es das
ganze Land. Fairness kann nur dort wahrgenommen werden, wo es einen – ich
betone – ‚vernünftigen‘ Wettbewerb von Meinungen und Leistungen gibt und eine entsprechende
Würdigung der besseren Meinungen und Leistungen. Niemand kann absolute Fairness
garantieren; auch kein Staat.
Man kann jedoch das Bekenntnis zum Ausdruck bringen, dass man
sein Möglichstes tun wird, um Fairness zu gewährleisten. Dieses Bekenntnis
bringt die neue österreichische Regierung (leider) nicht zum Ausdruck. Stattdessen
redet sie über soziale Gerechtigkeit.
Fairness kann leider nicht vom Staat dekretiert werden (selbst
wenn er die Verfassungsmehrheit hat). Nur der vernünftige und transparente
Wettbewerb von Meinungen und Leistungen kann gewährleisten, dass am Ende die
besseren Meinungen und Leistungen herauskommen (und gewürdigt werden). Der
vernünftige und transparente Wettbewerb ist gewissermaßen das Regulativ, dass
wahrgenommene Unfairness nicht entsteht.
Wenn Sebastian Vettel andauernd Formel 1 Rennen gewinnt, dann
werden das seine Mitbewerber nicht als unfair betrachten, solange sein Erfolg
am besseren Auto und am besseren Fahrer liegt. Sollte jedoch sein Erfolg an
besseren Beziehungen zu Bernie Ecclestone wahrgenommen werden, dann würde es
Neid, Frust und Auflehnung geben. Neid gehört zu den negativsten
Charakteristiken einer Gesellschaft, weil er eben negativ ist. Neid kann nur
dadurch vermieden werden, dass man sich nicht übervorteilt fühlt. Der Vierte im
Abfahrtslauf wird über seine Blechmedaille enttäuscht sein, er wird sich aber
nicht als unfair behandelt fühlen, weil das transparente Zeitergebnis dagegen
spricht.
Kann ein Staat Fairness in der Gesellschaft, d. h.
vernünftigen Wettbewerb von Meinungen und Leistungen, gewährleisten? Er könnte
es, wäre es ‚ein Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da,
wo er hingehört‘ (Alexander Rüstow). Sozusagen ein Staat, wie sich
möglicherweise Plato einen Staat vorgestellt hat.
In Parteiendemokratien ist dies dadurch behindert, dass
Parteien per definitionem Interessensvertretungen sind. Parteien tendieren
dazu, den vernünftigen Wettbewerb von Meinungen und Leistungen nicht zuzulassen,
wenn dieser gegen die Interessen ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen Wähler
geht.
Gegner des vernünftigen Wettbewerbs von Meinungen und
Leistungen werden behaupten, dass dieser zu einem brutalen ‚survival of the
fittest‘ führt, wo alle anderen in der sozialen Kälte enden, wo sich keine
Gesellschaft um sie kümmern würde. Menschen könnten sich keine Krankheit
erlauben, weil es keine leistbare medizinische Versorgung gäbe. Arbeitslose
würden am Hungertod sterben, weil sie keine Unterstützung bekämen.
In Wirklichkeit ist dies eine fahrlässige Fehlinterprätation
des vernünftigen Wettbewerbs von Meinungen und Leistungen. In einer modernen,
verantwortungsvollen Gesellschaft sollte niemand mangelnde medizinische
Versorgung oder sogar den Hungertod fürchten. Eine faire Gesellschaft (nennen
wir sie eine ‚soziale Marktwirtschaft‘) würde dies nie zulassen.
“Möge der Beste gewinnen!” heißt es bei Olympia. Es heißt
nicht „Möge der Verlierer kaputt gehen!“ Wie würde man dies auf Österreichisch
übersetzen? Vielleicht „Dank der Partei geht es mir gut“? Oder vielleicht sogar
„Ohne die Partei wäre ich gar nichts“?
Ich behaupte, dass es für eine Parteiendemokratie nur dann
möglich ist, die soziale Qualität einer Gesellschaft zu verbessern, wenn sie
den vernünftigen Wettbewerb von Meinungen und Leistungen nicht nur zulässt,
sondern ihn auch fördert – auch in der eigenen Partei. Solange dies nicht
erkennbar ist, ist die Vergrößerung des Staates eine Gefahr für die soziale
Qualität einer Gesellschaft.
Und was sagt die Neue Regierung dazu? Soweit ich erkennen
kann, gar nichts. Selbst eigene Parteimitglieder, die andere Meinungen
vertreten, werden mundtot gemacht.
Originalveröffentlichung hier.
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