Hannes Swoboda (MEP und Fraktionsvorsitzender der
EU-Sozialdemokraten) wird in den Medien folgendermaßen zitiert: „Kein Bürger
Europas verlor auch nur einen einzigen Cent bei der Hilfe für Griechenland“. Er
sagte dies bei einem Vortrag in Thessaloniki, wo sich anschließend sicherlich
viele Griechen fragten, ob sie denn auch zu den Bürgern Europas gehören.
Immerhin hatten sie beim griechischen Schuldenschnitt rund 40 Mrd.EUR verloren.
Rein formal hat Swoboda sogar nicht unrecht: der
Schuldenschnitt hat nicht direkt die Bürger getroffen, sondern primär private
Gläubigerbanken. Es verwundert, dass Swoboda nicht auch argumentiert hat, die
Bürger Deutschlands hätten bisher enorm von Griechenland profitiert (niedrigere
Zinsen auf eigene Staatsschulden und Zinsmargen auf Rettungskredite). Auch das
wäre formal nicht ganz falsch. Aber: auch die Kreditgeber der Alpine-Gruppe
hatten bei ihren Finanzierungen ganz gut verdient — bis sie ihre Kredite
abschreiben mussten. Swoboda’s O-Töne (“Wir brauchen Griechenland und
Griechenland braucht uns“; „Wir brauchen ein Europa der Solidarität“) werden
viele Bürger Mitteleuropas nicht überzeugen. Der Wiener Universitätsprofessor
Erich W. Streissler hatte zu Beginn der Krise einmal die Gegenfrage gestellt:
„Was gehen uns die Griechen an?“ Solidaritätsbekenntnisse alleine dienen nicht
als Antwort auf diese Frage.
Die gesamte griechische Volkswirtschaft schuldet
dem Ausland über 420 Mrd.EUR. Die Griechen gehen das Ausland dann etwas an,
wenn das Ausland hofft, zumindest einen Teil dieser Schulden jemals getilgt zu
bekommen. Wäre das Ausland bereit sein, diese Schulden abzuschreiben, dann
könnte man die Griechen durchaus alleine lassen. Swoboda verteufelt die Troika,
weil sie bisher Griechenland nicht geholfen hat. Dabei verkennt er die Rolle
der Troika. Die Troika ist eine Einrichtung, die in erster Linie
Gläubigerinteressen vertritt und diese Aufgabe hat sie bravorös erfüllt: der
Primärsaldo (ohne Zinsen) Griechenlands war 2013 im Plus und – vielleicht noch
wichtiger – auch die Leistungsbilanz erreichte 2013 einen positiven Saldo.
Aus der Sicht der Gläubiger bedeutet dies, dass
zwar das schlechte Geld schon dort ist, aber man muss ihm kein gutes Geld mehr
nachschicken. Swoboda gehört zu jenen, die meinen, mit etwas mehr Spielraum in
der Fiskalpolitik hätte man Griechenland viel Leid ersparen können. Kurzfristig
ja; längerfristig nie und nimmer! Griechenland unterscheidet sich von anderen
Ländern nicht nur durch den überbordenden öffentlichen Sektor, sondern auch
dadurch, dass die griechische Wirtschaft eine vollkommen unzureichende, eigene
Wertschöpfungskapazität hat. Griechen bevorzugen den nicht-produktiven Sektor
(Cafés, Tavernen, Geschäfte, etc.). Selbst nach 4 Jahren Wirtschaftskrise sind
unverändert 9 von 10 Firmengründungen im nicht-produktiven Sektor. Die
Produkte, die griechische Konsumenten genießen wollen, sind größtenteils
importiert. Griechenlands Wirtschaftsstrukturen sind nach wie vor jenen eines
Entwicklungslandes sehr ähnlich. Will man von einer solchen Volkswirtschaft
jemals seine Kredite zurückbekommen, dann muss man prüfen, wie man
Wertschöpfung ins Land bekommen kann, damit sich das Land das nötige Geld
selbst verdienen kann. Ein solches Vorhaben erfordert einen langfristig
angelegten, volkswirtschaftlichen Entwicklungsplan und dies ist nicht die
Aufgabe der Troika.
Im Gegenteil, dies wäre die Aufgabe der
griechischen Politik mit aktiver Unterstützung der EU-Politik, wobei der
Schwerpunkt sein müsste, Incentives für Auslandsinvestitionen im griechischen
Privatsektor voranzutreiben. Es ist mir nicht bekannt, dass Herr Swoboda
und/oder andere EU-Politiker jemals einen solchen Plan vorgeschlagen haben. Von
der griechischen Politik ganz zu schweigen. Alle wollen ganz einfach dem
griechischen Staat mehr Geld geben. Schweizer Banken würden sich darüber
freuen, weil bei ihnen ein erheblicher Anteil dieser Gelder landen würde, dass
aber der griechische Staat die verbleibenden Gelder sinnvoll investieren würde,
ist eine Illusion. Seit seiner Unabhängigkeit war Griechenland immer auf
finanzielle Impulse aus dem Ausland angewiesen, um seine Bevölkerung
beschäftigen zu können und um einen Lebensstandard zu gewährleisten.
Das ist heute nicht anders. Ein Großteil der
ausländischen Gelder wurde immer zweckentfremdet verwendet (bzw. ganz einfach
verschwendet) und der griechische Staat war immer eine wichtige Drehscheibe in
diesem Prozess.
Wollte man diesen Prozess korrigieren, dann müsste
man die Gelder an der staatlichen Drehscheibe vorbeischleusen und sie
zweckbestimmt im produktiven Privatsektor einsetzen. Griechenland müsste die
strukturellen Voraussetzungen schaffen, dass es für Auslandsinvestoren
wirtschaftlich Sinn macht, im griechischen Privatsektor zu investieren und die
EU müsste die Voraussetzungen schaffen, dass Auslandsinvestoren zu solchen
Investitionen bereit sind (z. B. umfangreiche Absicherungen gegen das
politische Risiko inklusive Grexit). Griechenland kann die Transformation von
einer korrupten, parasitären Vetternwirtschaft in eine leistungsfähige,
selbsttragende und marktorientierte Privatwirtschaft alleine nicht schaffen. Da
fehlt einfach das Know-How.
Dieses Know-How kann nur durch Privatinvestoren
nach Griechenland kommen, wenn es denn in einem überschaubaren Zeitraum kommen
soll. Will man sein Geld von Griechenland zurückbekommen, dann muss man zuerst
die griechische Volkswirtschaft stark machen. Will man das nicht tun, dann muss
man seine Kredite früher oder später abschreiben.
Originalveröffentlichung hier.
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