Donnerstag, 16. Januar 2014

1914, 2014 und die öffentlichen Plaudertaschen

Zur 100-jährigen Wiederkehr des Ausbruchs des 1. Weltkrieges wird es zunehmend populär, Vergleiche zwischen 2014 und 1914 zu ziehen. Ich empfehle, das Buch „The Sleepwalkers“ vom Australier Christopher Clarke zu lesen. Clarke’s Buch liegt eine äußerst umfangreiche Recherche zu Grunde. Er beschreibt die Jahre vor 1914 als ein „Versagen der Eliten“. Damit meint er nicht so sehr die handelnden Personen, sondern die Strukturen und Prozesse, innerhalb derer Entscheidungen getroffen wurden. Monarchen handelten unabgestimmt mit ihren Regierungen. Innerhalb der Regierungen wurde ebenso unabgestimmt gehandelt: Finanzminister waren oft im Widerspruch zu Außerministern und beide zusammen im Widerspruch zum Militär. Das Ergebnis ist bekannt. Die Eurokrise war, zumindest in den ersten beiden Jahren, geprägt von ‚öffentlichen Plaudertaschen‘. Es störte keinen EZB-Verantwortlichen, öffentlich Meinungen zu äußern, die sich von den Meinungen anderer EZB-Verantwortlichen deutlich unterschieden. Es störte einen Jean-Claude Juncker nicht, fast wöchentlich neue Wortspenden zu machen, die nicht nur im Widerspruch zu den Wortspenden anderer Spitzenpolitiker waren, sondern auch im Widerspruch zu seinen eigenen, früheren Wortspenden. Und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel prägte mit ihrem „fällt der Euro, dann fällt die EU“ eine Politik, die nicht mehr umzukehren war. Möglicherweise wird man in 100 Jahren schreiben, dass der Zusammenbruch der Eurozone – und möglicherweise der ganzen EU – eine Konsequenz des ‚Versagens der Eliten‘ war. Zu Recht.

Originalveröffentlichung hier.

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