Einige Schweizer Finanzkommentatoren säen zunehmend
Misstrauen in die Schweizer Nationalbank (SNB). Begründung: in Folge der
CHF-Kursbegrenzungsmassnahmen hat die SNB in ihrer Bilanz ein enormes
Fremdwährungsrisiko aufgebaut. Bei Gesamtaktiva von rund 500 Mrd.CHF machen die
Fremdwährungsaktiva den Gegenwert von rund 445 Mrd.CHF aus. Anders ausgedrückt:
fast 90% der Bilanzsumme bzw. mehr als das 40-fache des SNB-Eigenkapitals sind
dem Währungsrisiko ausgesetzt. Für dieses Risiko sind rund 50 Mrd.CHF an
Rückstellungen gebildet; das sind rund 10%. Sollte der CHF um 10% aufwerten,
dann sind diese Rückstellungen verbraucht. Sollte er um 20% aufwerten, dann ist
das Eigenkapital der SNB vernichtet.
Darüber hinaus hält die SNB Goldreserven im
Gegenwert von rund 40 Mrd.CHF, für die es keine Bewertungsrückstellungen gibt.
Im Jahr 2013 musste die SNB dieses Gold um 15 Mrd.CHF abwerten und einen
Bilanzverlust von 9 Mrd.CHF ausweisen. Es geht also bei der SNB primär um ein
Bewertungsrisiko. Klassische Notenbanken sind diesem Risiko weniger ausgesetzt,
weil klassische Notenbanken nicht der allgemeinen Rechnungslegung unterliegen.
Stattdessen wird die Rechnungslegung im jeweiligen Notenbankgesetz festgelegt.
Die EZB ist beispielsweise eine klassische Notenbank: ihre Statuten erfordern
kein Mindesteigenkapital. Aus rein ökonomischer Sicht könnte die EZB mit einem
negativen Eigenkapital problemlos weiter operieren. Sie kann nicht illiquide
oder insolvent werden (weil sie Euros drucken kann und weil sie kein positives
Eigenkapital benötigt). Das Schweizer Notenbankgesetz schreibt vor, dass die
SNB ihre Bilanz „nach den Vorschriften des Aktienrechtes sowie nach allgemein
anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung erstellt“. Gemäß Aktienrecht muss
ein Unternehmen bei negativem Eigenkapital Insolvenz anmelden.
Das Eigenkapital der SNB betrug Ende 2012 rund 10
Mrd.CHF (für 2013 gibt es noch keine Bilanz, es ist jedoch davon auszugehen,
dass der Bilanzverlust das Eigenkapital stark reduziert hat). Schweizer
Panikmacher sehen ein Szenario, wo die SNB ihre Wechselkursstrategie aufgeben
muss; wo der CHF gegen den Euro auf 1:1 steigt; und wo möglicherweise auch noch
der Goldpreis sinkt. In diesem Szenario wäre das Eigenkapital der SNB rasch
verbraucht.
Es ist natürlich unvorstellbar, dass die
Eidgenossenschaft ihre Notenbank ‚fallen lassen‘ würde. Allerdings gäbe es im
Falle eines Falles erschwerende Umstände. Die SNB ist nicht im Besitz der
Eidgenossenschaft: 40% sind im Besitz privater Aktionäre und 60% werden von
Kantonen und Kantonalbanken gehalten. Eine Rekapitalisierung der SNB seitens
der Eidgenossenschaft würde diese Eigentümer weitestgehend verwässern. Darüber
hinaus würde eine Rekapitalisierung die Grenzen der Schweizer Schuldenbremse
testen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Schweizer Volkswirtschaft
sicherlich stark genug ist, um auch größere Finanzschocks wie z. B. eine
notwendige Rekapitalisierung der SNB zu verkraften. Allerdings beweist der
Umstand, dass überhaupt über eine mögliche Insolvenz der SNB nachgedacht wird,
wie instabil das Vertrauen in die Finanzmärkte geworden ist.
Originalveröffentlichung hier.